Freitag, 7. Oktober 2016

Terminsbericht - I ZR 154/15 - 06.10.2016 (Privat)

Wie die Kanzlei Wilde-Beuger-Solmecke heute morgen mitgeteilt hat, hat der Bundesgerichtshof am 06.10.2016 ein durchaus sehr positives im Filesharingbereich gefällt. Damit meine ich nicht nur für den Beklagten selbst. Viel mehr dürften wir durch die Entscheidung einen großen Schritt in die Richtung "Vereinheitlichung der Rechtssprechung" getan haben, auch wenn man wie üblich die Veröffentlichung des Volltexts abzuwarten hat. Die Reaktion der "restriktiven" LG-Kammern zu München, Berlin, Köln und zu letzt sogar Mannheim ist abzuwarten. Allerdings hat sich insbesondere München nicht nur ein "blaues Auge" durch den BGH angeholt. Und das liegt nicht an München.

Herr Dr. Bernhard Knies hat bereis einen sehr erhellenden Kommentar verfasst.

Das ist ein Privatkommentar. Ich kenne aus dem Verfahren keine Schriftsätze und maße mir nicht an zu wissen warum und wie (3:2?) der BGH zu Gunsten aller Anschlussinhaber Deutschlands und gegen die Abmahnwirtschaft entschieden hat. Der Vorsitzende des I.ten Zivilsenats hat kein einziges Wort fallen lassen. Allerdings gibt es "Indizien". Und es gibt nur ein -einfach zu verstehendes- Thema.

Letztlich hat sich die Erwartung des Autors zur Auslegung der Urteile des BGH I ZR 169/12 vom 08.01.2014 und BGH I ZR 75/14 vom 11.05.2015 im "dogmatischen" Bereich durchgesetzt. Da der Autor, die Spendenaktion gegen den Abmahwahn und die "Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn" maßgeblich am ersten Verfahren beteiligt waren, ist sehr erfreulich das der BGH den Versuch der Abmahnwirtschaft (über die Top-Adresse Waldorf-Frommer) diese Urteile faktisch durch eine Verschärfung durch I ZR 154/15 aufheben zu lassen gescheitert ist. Es bleibt dabei (ganz verkürzt): Wie die Revisionserwiderung durch Herrn Dr. Herbert Geisler kurz und bündig am Termin vortrug (zusammen gefasst), hat der BGH mit den beiden Ersturteilen den Rechteinhabern eine vollständig ausreichende Beweiserleichterung verschafft, in dem er zur Verantwortlichkeit bei einer Rechtsverletzung über einen Internetanschluss die "tatsächlichen Vermutung" zuläßt, der Anschlussinhaber selbst habe die Tat begangen. Eine "tatsächliche Vermutung" kann jedoch relativ einfach entkräftet werden. Hier durch die Nennung weiterer möglicher Täter, sprich Personen, die zum relevanten Zeitpunkt/Zeitraum selbstständigen Zugang zum Netzwerk des Anschlussinhabers hatten. Mit der Ermittlung und Preisgabe der Daten dieser Personen sei die Nachforschungspflich des Anschlussinhabers erfüllt. (vgl. auch LG Braunschweig). Weitere Nachforschungen seien regelmäßig nicht zumutbar, wie zB Untersuchungen auf fremden Rechnern. Auch der eigene Vortrag zum eigenen Computer könne sich zunächst auf ein qualifiziertes Angeben von Daten und Tatsachen beschränken. Damit läge der Spielball auf Seiten der Rechteinhaber. Diese hätten nun zu BEWEISEN, dass der Anschlussinhaber der Täter gewesen ist. Die Revision selbst bemängelte, dass diese Regelung nicht ausreichend sei. Während sich der BGH-Anwalt des Klägern noch zurück hielt, führte in einer Art "zweitem Plädoyer" (ungebührlicher Weise) der Kanzleichef Björn Frommer aus, dass bei Festhalten der Regelungen (des LG Braunschweig) die Rechteinhaber regelmäßig schutzlos gestellt werden würden. RA Frommer suggerierte, dass seine Kanzlei (sinng. seit I ZR 169/12) täglich "1000 Mal" die Geschichte des Falls am LG Braunscheig höre und diese Geschichte ebenso regelmäßig als "Lüge" (Schutzbehauptung) durch die Kanzlei eingestuft werden müsse. Die Klägerin forderte die Heraufstufung der Beweiserleichterung von "tatsächlicher Vermutung" auf "Anscheinsbeweis" und somit eine dramatische Verschlechterung der Situation für Privathaushalte. Zudem bemängelte er nicht durch die Klägerin (und in der Masse) angreifbare Daten. [Ein falscher Einwand - da die vom Anschlussinhaber benannte Mitbenutzerin als Zeugin gehört werden konnte. Der Einwand die Rechteinhaber seien "schutzlos" gestellt ist nicht wirklich erkennbar.] Der gesamte Vortrag der Revision zielte darauf ab, dass der BGH die Messlatte so hoch ansetzt, dass faktisch Anschlussinhabern (wie in München so üblich) nichts anderes übrig bleibe als den Täter konkret zu benenne.

Der BGH schmetterte diesen Versuch eine "Täternennungspflicht", sei es direkt oder Daten (Untersuchung fremder Computer, Routerprotokolle, etc...) ab und verbleib beim "alten System". Die Nachforschungspflicht (Volltext abwarten) ist den Umständen anzupassen. Es ist nachzufragen. Ergebnisse sind mitzuteilen und ggfs. zu beweisen. Namen sind konkret zu benennen.

Abschliessend zu den drei strategischen Fehlern des RA Björn Frommer. Bereits ohne diese drei zu kennen, erwartet ich eine "knifflige Entscheidung", da (wie er im persönlichen Gespräch nicht mehr hören wollte) die Zeugenaussage der Mitbenutzerin im konkreten Fall und die hieraus resultierende tatrichterliche Entscheidung (LG Braunschweig) eine (fiktiv gebliebene) Nichterfüllung der Nachforschungspflichten "heilen" kann. Zwar hielt die Klägerin das Urteil des LG Braunschweig in diesem Punkt für nicht ausreichend begründet. Warum aber wurde in beiden Plädoyers nicht erläutert. Der erfahrene Richter sagt: "Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch." Solche Prinzipien können nicht durch vage Behauptungen ("wir werden immer angelogen") entkräftet werden. Die Gelegenheit zur Entkräftung solcher Prinzipien - ist die Beweisaufnahme. Der BGH kann auch nicht "einfach so" tatrichterliche Entscheidungen aufheben.
Fehler 1: Das überlange und ungebührliche "Plädoyer - II" von RA Frommer dürfte massiven Schaden angerichtet haben, da es a) politisch geprägt war und b) das Gericht (BGH) vor den Kopf stieß. Man sagt keinem Richter der Welt, er sei "nur" Theoretiker und nun erzähle mal "der Praktiker" wie es in der Welt so zugeht.
Fehler 2: Hatten wir bereits. Man hätte nicht die dogmatische Diskussion suchen sollen und zeitgleich massive Verschärfungen der Rechtsprechung anmahnen sollen, sondern sich viel mehr der konkreten Zeugenaussage der als Täterin eingestuften Mitbenutzerin und Ehefrau widmen müssen. Das wäre sehr schwer gewesen aber unabdingbar. Leichte Fehler dabei waren eine fehlerhafte Zuordnung von Computern im Streitfall - es sollte der Eindruck erweckt werden, der Beklagte hätte auf alle Rechner im Haushalt Vollzugriff gehabt, was ein Beisitzer richtig stellte.
Fehler 3: "McFadden"-Urteil des EUGH. Mehrfach wurde dieses Urteil erwähnt. Bereits falsch ist dabei die Annahme der Plädoyanten gewesen, der EUGH habe mit dem Urteil die Rechtsprechung des BGH in Sachen Privathaushalte "verändert", oder besonders zum Ausdruck gebracht das der Schutz des geistigens Eigentums (in welcher Form auch immer - es ist unklar geblieben was konkret die Plädoyanten meinten) die im BGH-Fall vorliegenden Grundrechte (Schutz der Ehe, Familie) überwiege. Im Gegenteil. Das EUGH-Urteil richtet sich - ausschließlich - an Gewerbetreibende. Desweiteren hat das Urteil des EUGH nichts mit BGH-Systematiken zur Täterschaftsvermutung zu tun, sondern zur Störerhaft. Dieser Bereich ist jedoch durch den Gesetzgeber bereits neu gestaltet worden und wird "demnächst" nach dem Urteil des EUGH evaluiert. Wenn überhaupt ein Vergleich statt finden soll (Täterschaft), wäre dieser NEGATIV für den Rechteinhaber auszulegen. Schlicht weil der Gewerbetreibende die tatsächliche Vermutung zur Täterschaft auf einfachste Weise entkräften kann. In dem er nämlich angibt ... er sei .... "nicht organisierter Freifunker". Nein - der BGH wurde durch die Erwähnung nicht "auf gedanken gebracht", aber kann das auch nicht ausschließen. Denn wenn die Messlatte in Bezug zur tatsächlichen Vermutung so tief bei "nicht organisierten Freifunkern" liegt, kann die Messlatte für Privathaushalte nicht bei notwendigen  "staatsanwaltlichen Maßnahmen", die einer Hausdurchsuchung mit Konfiszierung der Internetzugangsgeräte gleich kommen liegen.

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