Dienstag, 4. November 2014

AG Magdeburg, Urteil vom 10.09.2014 - 150 C 1103/11


Heute nun ein etwas ausführlicher Bericht zu dem mehr als interessanten Vorgang, der durch ein mittlerweile rechtskräfitges Urteil des AG Magdeburg vom 10.09.2014 mit Aktenzeichen 150 C 1103/11 abgeschlossen wurde. Ein erster Bericht und der Volltext des Urteils finden sich hier. Allein schon die Länge des Verfahrens mit 1232 Tagen zwischen Datum der Anspruchsbegründung und Urteil ist erstaunlich.

Die Firma Logistep AG hatte angeblicher Weise am 28.10.2008 um 00:22 Uhr eine Verletzung an dem Programm "Duden Korrektor Plus 5.0" des Rechteinhabers "Bibliographisches Institut GmbH" fest gestellt, die nach der Durchführung staatsanwaltlicher Ermittlungen auf Strafanzeige zu dem Anschluss des späteren Beklagten führten. Im Mai 2009 erfolgte eine Abmahnung durch die Kanzlei Schutt & Waetke. Der Beklagte informierte sich über das Internetportal "Netzwelt.de". Er gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ab und reagierte ansonsten nicht. Nach Mahnbescheid erhob die Klägerin im April 2011 Klage am AG Magdeburg.

Die Klägerin forderte an Rechtsanwaltsgebühren 661,00€ [1,0-Faktor aus Streitwert 15.000,00€ für die Abmahnung + 20,00€ Pauschale + 75,00€ Gebühren für den Strafantrag]. Dazu wurde ein Schadensersatzbetrag iHv 60,00 verlangt = 721,00€.

Die Verfügung des Gerichts vom 11.05.2011 bestand nur aus Regelfristen. Der Beklagte beauftragte nach Konsultationen mit Verantwortlichen des Portals Netzwelt.de (Filesharing-Forum) die bekannte Kölner Kanzlei Wilde - Beuger - Solmecke. Diese wurde von der Frau Rechtsanwältin Jennifer Hannemann vertreten. Es wurde aufgrund der Distanz Köln - Magdeburg die Einschaltung einer Terminsvertretung vereinbart. Ebenso freundete sich Frau Rechtsanwältin Hannemann mit dem Vorschlag des Beklagten an, dass sie für die Erwiderung für die Bereiche "sekundäre Darlegungslast - Tatvorwurf" und insbesondere "Technik" ein Script des Autors dieses Textes verwenden würde. Die Inhalte des ersten Bereiches sind im Urteil sehr schön nachzulesen. Natürlich ist schon der erste Vortrag mit mehreren Seiten zu beziffern. Die Arbeit an der "Technik" muss gesondert beschrieben werden. Weitere Einwendungen (Aktivlegitimation, etc.) waren unnötig.

Die Klageerwiderung befasste sich im technischen Bereich zunächst mit den in der Begründung vorgelegten Daten. So konnte schon bemängelt werden, dass als Zeuge für die Ermittlung ein gewisser Herr W. der Firma Logistep AG aufgeboten wurde, während in der Strafanzeige noch die Herren O., A. und K. als Zeugen genannt wurden. Weitere Datenfehler traten auf: In der Begründung wurde von einem "Abmahnschreiben" aus dem März 2008 berichtet. Es kam zu unterschiedlichen "Netznamensangaben" (DTAG-DIAL 20 + 24). In der Strafanzeige wurde eine andere IP-Adresse, als die angeblich ermittelte angegeben. Ebenso wurden in der Anzeige "mehrere Probedownloads" behauptet - oben ersichtlich ging es um einen einzigen Zeitpunkt. Und zuletzt wurde eine falsche "Produktbeschreibung" der Anzeige beigelegt. Dies alles kümmerte die STA Magdeburg in keinster Weise. Die Klägerin berichtete in einem späteren Vortrag ... von "Absprachen". Nun denn.

In der gleichen Strafanzeige führte die spätere Klägerin jedoch an, dass die Firma Logistep AG der gegenständlichen IP-Adresse den "Regionaleinwahlknotenpunkt Oschersleben" zugeordnen konnte. Dies war auch noch im mittlerweile eingetretenen Juni 2011 so. Dieser Ort liegt jedoch 30 Kilometer Luftlinie vom Standort des Beklagten in Magdeburg entfernt. Der Autor ist so ehrlich und gesteht, dass dieser Einwand nur "der Ordnung halber" damals vorgebracht wurde. Was daraus entstand  ... war nicht beabsichtigt! Natürlich wurden noch eine Vielzahl an weiteren "Regel"-Argumenten vorgebracht, die sich auch im Urteil wieder finden. Der "Regionalknotenpunkt" findet sich nur kurz erwähnt.

Die Klägerin antwortete umfangreich zu den beiden Hauptpunkten (zum Vortrag "sekundäre Darlegungslast" wortreiches Bestreiten mit Nichtwissen) und ausführlich zur Technik.

Das Gericht - überraschte jedoch alle - nicht zum letzten Mal. Selbstverständlich wurde die Anspruchshöhe diskutiert. Das Gericht verfügte einen Streitwert für die Unterlassung iHv 3.000,00€. [Gegenstand damit 344,00€ - relevant für eine spätere Berufungsmöglichkeit, da diese ohne zwingenden Grund nur bis zu einem Gegenstandswert iHv 600,00€ zuzulassen wäre.]

Es wurde ein Termin zur mündlichen Verhandlung auf den November 2001 bestimmt und verschoben. Er fand im März 2012 statt. Auf Beklagtenseite trat Herr Rechtsanwalt Ronni Krug aus Magdeburg auf. Die Klägerin schickte ebenso eine Terminsvertretung.

Das Gericht schockierte alle - In der 10-minütigen Verhandlung kam das Gericht sofort auf den Punkt: Es ginge von einer fehlerhaften Ermittlung aus, da die Unstimmigkeit zwischen Einwahlknotenpunkt und Standort des Beklagten nicht von der Klägerin geklärt worden sei. Das Gericht hatte kurzerhand den Vortrag des Beklagten zur hauseigenen IT verbracht - und diese hatte dem Beklagten recht gegeben. Eher "netterweise" erhielt die Klägerin nochmals Gelegenheit zu Stellungnahme - Verkündungstermin wurde auf den 02.05.2012 bestimmt. Es sollte nicht der letzte sein.

Die Spendenaktion gegen den Abmahnwahn trat nun auf - denn die Kosten der Terminsvertretung wurden abgerechnet. Die Kanzlei Wilde - Beuger - Solmecke setzte eine neue Rechtsanwältin ein.

Die Klägerin trug nun ernsthafter zu dem Thema der IP-Regionalisierung vor. Das Gericht sah sich veranlaßt den Termin zur Verkündung einer Entscheidung zu verlegen. Es überraschte erneut - mit der Einsetzung eines unabhängigen Sachverständigen zur IP-Frage. Die Klägerin zeigte sich erstaunt. Zwischenzeitlich konnte der nicht minder erstaunte Autor dieses Textes ein ausführliches "Parteigutachten" erstellen, welches sich gegen die vorgetragenen Ansichten der Klägerin wandte. Die Spendenaktion gegen den Abmahnwahn zeigte sich interessiert und sagte dem Beklagten auch die Unterstützung im Bereich "Sachverständigengutachten" zu.

Es kommt im August des Jahres 2012 zum "offenen Streit". Zwar trägt RAin Niddemann obschon weniges aus dem "Privatgutachten" des Autors vor, worüber er heute immer noch verschnupft ist [Ironie]. Die IP-Adressenermittlung und das Thema "Regionalknotenpunkte" wird jedoch nicht unstreitig gestellt. Schriftsätzlich antwortet die Klägerin im September 2012 und signalisiert, dass sie den Beweis via "Sachverständigengutachten" zu dem nach ihrer Ansicht irrelvanten Thema führen möchte.

Im Dezember 2012 beschließt das Gericht - nein - keinen Beweisbeschluss. Das Gericht führt aus, dass es im Vortrag der Klägerin nicht erkennen kann, wie die Zuordnung des Beklagten zu der gegenständlichen IP-Adresse erfolgen konnte. Erst wenn dies geklärt sei, werde die Frage des "Reginalknotenpunktes" zu hinterfragen sein.

Die Klägerin antwortet sehr ernsthaft im Februar 2013. Danach geschieht .... erst einmal nichts, bis ein neuer Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den Januar 2014 terminiert wird.

Das Gericht erörtert im Termin die Sach- und Rechtslage und bestimmt einen Verkündungstermin auf den 26.02.2014.

Der Verkündungstermin - fällt aus. Es kommt zu Verwicklungen. Das Gericht äußert sich kurz vor der Verkündung noch in Richtung Abweisung der Klage. Kurze Zeit später wartet der Beklagte im Zimmer, in dem die Verkündung statt finden soll. Erfolglos....

Es wird statt dessen im Mai 2014 durch das Gericht eine Zeugenbefragung der Ehefrau des Beklagten und der gemeinsamen Tochter verfügt. Der Beklagte gibt eine Auslagenverzichtserklärung ab. Der Termin findet im Juni 2014 statt. Das Gericht legt nun den Verkündungstermin auf den 09.07.2014 fast.

Der Termin am 09.07.2014 - fällt aus. Ohne weiteren Kommentar des Gerichts trifft aber dann im September 2014 die Klageabweisung ein. Die Klägerin hat auf eine Berufung verzichtet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen