Mittwoch, 8. Oktober 2014

AG Bad Saulgau - 1 C 172/14 - Klagerücknahme vom 17.09.2014


Im schönen Oberschwaben fand ein beispielhafter Rechtsstreit statt, der die aktuellen Entwicklungen in Filesharingklagen zusammenfasst. 

Die Klägerin behauptete Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte für den deutschen Sprachraum an einem C-Horrorstreifen zu sein. Sie legte als Beweis einen nicht unterzeichneten "Vertrag" mit einem amerikanischen Produzenten vor. Die Klägerin habe die deutschsprachige Fassung des Werks am 23.03.2010 übersetzen lassen. Das Werk sei dann am 29.01.2010 (???) erstveröffentlich worden. Die Firma Guardeley habe am 22.02.2010 (???) eine Rechtsverletzung über eine Filesharing-Tauschbörse fest gestellt, welche in einem späteren Beauskunftungsverfahren dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet worden sei. Der Beklagte habe - so die beweiserleichernde tatsächliche Vermutung der Klägerin - die Rechtsverletzung selbst begangen. Die Klägerin verlangte 807,80€ (1,3-Gebühr aus einem Gegenstandswert iHv 19.000,00€) an Rechtsanwaltskosten aus der erfolgten Abmahnung. Zudem sei ihr ein lizenzanalogischer Schadensersatz iHv 157,80€ zuzusprechen. Dies ergäbe einen vorläufigen Streitwert ihV 1007,80€ (???). 


Bereits mit Beschluss vom 08.07.2014 verfügte das Gericht jedoch zunächst ein vereinfachtes Verfahren nach § 495a ZPO, da der Streitwert die Grenze von 600,00€ nicht überschreiten würde. Eine mündliche Verhandlung fände nur auf Antrag der Parteien statt. Das Gericht erläuterte, dass es zwar zunächst den Schadensersatzbetrag iHv 157,80€ als angemessen einstufen würde. Nach vorläufiger Sicht des Gerichts würde jedoch der angemessene Gegenstandswert für die Abmahnung mit 2.000,00€ = 229,50€ (Mittelgebühr 1,5-Faktor für umfangreiche und schwierige Fälle! + 30,00€ Auslagen) betragen. Das Gericht führte hierzu aus, dass es die Entscheidung des OLG Hamm, Beschluss vom 26.03.2013 – 22 W 42/13 auch für diesen Rechtsstreit heran zu ziehen sei. Weiter könne auf den § 97a UrhG, Abs 3 – neu zur Orientierung verwiesen werden. Zwar sei dieser zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht in Kraft gewesen. Der Gesetzgeber habe jedoch mit der Reduzierung des Gegenstandtswertes auf 1.000,00€ zu erkennen gegeben, dass er Gegenstandswerte iHv 19.000,00 als überhöht ansähe.

Der Beklagte suchte sich zunächst selbst zu verteidigen und erhielt dabei professionelle Unterstützung aus den Reihen der "Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn". Der Beklagte ging auf die rechtlichen Gegebenheiten des gegnerischen Vortrags im Bereich der "Aktivlegitimation" ein. Er fühlte sich bemüßigt die ordnungsgemäße Ermittlung der Rechtsverletzung zu bestreiten. Zur Sache gab er an, dass er die Tathandlung nicht begangen habe. Er selbst sei nicht alleiniger Nutzer des Anschlusses. Neben seiner Ehefrau seien auch drei erwachsene Kinder Nutzer des Anschlusses gewesen. Der Anschluss sei gegen einen unberechtigten Zugriff eines Dritten von außen abgesichert  gewesen (etc...). Mit seinem Vortrag sah der Beklagte die tatsächliche Vermutung er selbst sei für die Rechtsverletzung verantwortlich erschüttert. Seiner sekundären Darlegungslast und ebenso Recherchepflichten nach dem Erhalt der Abmahnung sei er mit seinem Vortrag nachgekommen. 

Die Klägerin wandte sich gegen den Beschluss des Gerichts vom 08.07.2014 (Rechtsanwaltskosten) und beantragte die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Der Beklagte beantwortete zwei Schriftsätze der Klägerin mit einem eindeutigen Schriftsatz. 

Für die mündliche Verhandlung am 03.09.2014 und das weitere Verfahren nahm der Beklagte dann die Unterstützung der von der Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn empfohlenen Kanzlei Krafft, Gschwind & Kozicki, Ravensburg, namentlich RA Mark Kozicki in Anspruch, welcher kurzfristig den Termin wahrnahm. Hierfür auf diesem Wege besonderer Dank. 

Tatsächlich fand die mündliche Verhandlung statt. Die Klägerin entsandte eine Terminsvertretung aus Ulm. Das Gericht stellte aus verschiedenen Gründen eine Klageabweisung in den Raum.

Die Verkündung des klageabweisenden Urteils sollte am 24.09.2014 statt finden. 

Dem kam die Klägerin durch Rücknahme der Klage am 17.09.2014 zuvor. 

Der Beklagte beantragte nun der Klagerin die Kosten des Rechtsstreits mit einem Steitwert ihv 965,60€ aufzuerlegen.  

PS vom 09.10.2014: Vor diesem Update möchte ich bitten, dieses Detail als "Einzelfallentscheidung" des Gerichts zu werten. Auf andere Fälle oder Konstellationen ist dies nicht zu übertragen! 

Der noch recht junge und auch technische offensichtlich sehr kompetente Richter in diesem Verfahren handelte überaus pragmatisch. Letztlich ging es denn doch in erster Linie "nur" um die Frage, ob wie die Klägerin behauptete, der Beklagte die Tathandlung begangen habe, und ob er seinen Recherchepflichten zu dem Vorfall nachgekommen sei. Neben dem Vortrag in eigener Sache standen im vorliegenden Rechtsstreit vier Zeugen zur Verfügung. 

a)  die Ehefrau zB zu den "Nutzungsgewohnheiten",
b) zwei erwachsene Kinder (zB Recherchepflichten und Aussagen),
c) ein technisch sehr begabter, erwachsener Sohn, der den Computer des Beklagten 'gewartet' hat (zB als Zeuge gegen auffällige Programmnutzungen). Darüber hinaus war c) auch für die Installation und Betrieb des Funknetzwerkes zuständig.

Sämtliche Nutzer stritten gegenüber dem Beklagten desweiteren ab, die Tathandlung begangen zu haben. 

Aus einer Vielzahl von Verfahren kennen wir aber die "Strategie" der Klägervertreter, Prozesse bis zum bitteren Ende auszureizen. Das "Argument" ist schlicht: "Wenns keiner war - wars doch der Beklagte - man muss alle angebotenen Zeugen hören." (Hierzu mal bspw. AG Köln, Urteil vom 14.08.2014 - 137 C 140/14 - identischer Kläger, und/oder AG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 - 57 C 3144/13 - Rn20, usw...). 

Das AG Bad Saulgau jedoch verkürzte die Angelegenheit nach meinem Empfinden vorbildlich. Das Gericht erachtete die bisherigen Schriftsätze als ausreichend, um eine Entscheidung fällen zu können. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen sei nicht erforderlich, da diese Zeugen in der Vernahme nach § 383 ZPO das Zeugnis (komplett) verweigern könnten. Auch dann bliebe für das Gericht überwiegend wahrscheinlich, dass der Beklagte weder als Störer noch Täter haftbar zu machen sei. Die Beklagtenseite agierte entsprechend. Die Terminsvertetung der Klägerin konnte auch dieses Ergebnis den Bevollmächtigten der Klägerin nur "mitteilen". Eine Reaktion per Schriftsatz ist nicht erfolgt. 

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