Donnerstag, 7. November 2013

AG Hamburg - 32 C 125/12 - Klagerücknahme


Einleitung

Letztlich dürfte bei dem Beklagten, der sich hiermit bei seinem Team bedankt, die Erleichterung über den dann doch schnellen Verfahrensabschluss überwiegen. Dieses hätte aufgrund der Entwicklung des Rechtsstreits durchaus noch Jahre dauern können. Besonderen Dank an FrauRechtsanwältin Simone Winkler, Kanzlei Schulz, Winterstein, Schoreit, Buck, Harders, Ahrensburg.

Das Ergebnis vorweg: Die Klägerin zog im November 2013 ihre Klage zurück. Der Beklagte stellt jedoch keinen Kostenantrag nach § 269 ZPO, Abs. 2, Satz 3 und Abs. 4. Damit hat er nach RVG den Betrag von 352,50€ selbst zu erstatten.

Sachverhalt und Verlauf 2012

Im September 2009 soll es nach Angaben einer in der Schweiz firmierenden Ermittlungsfirma zu einer Rechtsverletzung an einem Werk eines Berliner Pornoherstellers über den Internetanschluss des Beklagten gekommen sein. Er erhielt eine Abmahnung einer Hamburger Kanzlei, die sich unter anderem auf Pornoabmahnungen spezialisiert hat. Im weiteren Verlauf erhielt der Beklagte eine zweite Pornoabmahnung, die allerdings im Verfahren keine besondere Rolle spielen konnte (und die mittlerweile verjährt ist). Denn der Beklagte befand sich zum angeblichen Tatzeitpunkt im September 2009 mit seinem Sohn (Baby) alleine zu Hause. Seine Lebensgefährtin verfügte zu diesem Zeitpunkt über kein internetfähiges Endgerät und war zudem arbeiten. Der W-LAN-Router des Beklagten war ordnungsgemäß verschlüsselt. Das Eindringen eines unbekannten Dritten daher kaum möglich. Somit lag eine Konstellation vor, die wenig für den Beklagten sprechen ließ.

Der Beklagte jedoch, selbst Musiker und daher auch mit der Urheberrechtsthematik befasst, wandte sich strikt gegen den Vorwurf das streitgegenständliche Werk unerlaubt verbreitet zu haben. Er bestritt die ordnungsgemäße Ermittlung der Tathandlung. Er bestritt sowohl die ordnungsgemäße Beauskunftung, als auch die Legalität des Vorgangs, da die Klägerin sich des berüchtigten „zweistufigen Beauskunftungsverfahrens“ befleißigt hatte, also zuerst mit Gerichtsbeschluss Daten eines Providers erlangte (Benutzerkennung), um mit diesen Daten die personenbezogenen Daten des späteren Beklagten über den Reseller ohne Gerichtsbeschluss einzuholen.

Die Klägerin verlangte neben der Erstattung von 859,80€ Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung noch 1.000,00€ Schadensersatz. Sie argumentierte, dass die Ermittlungen ordnungsgemäß abgelaufen seien. Daher sei der Beklagte nach der herrschenden Rechtsmeinung über den Weg einer „tatsächlichen Vermutung“ für den Vorfall verantwortlich zu machen. Sein Vortrag wäre nicht ausreichend, um diese „tatsächliche Vermutung“ zu erschüttern.

Das Gericht enthielt sich zuerst einer Meinung und beraumte eine mündliche Verhandlung im Dezember 2012 an.

Verlauf 2013

Eine gütliche Einigung in der mündlichen Verhandlung scheiterte. Hierauf verfügte das Gericht, dass Beweis über die Behauptung der Klagepartei zu erheben sei, dass zum Tatzeitpunkt im September 2009 über die IP-Adresse, die dem Beklagten zugeordnet wurde, die streitgegenständliche Datei anderen Tauschbörsennutzern angeboten wurde, dass diese Datei von der ermittelnden Stelle selbst herunter geladen worden sei und es zu einem Vergleich mit dem Orginal kam. Hierzu sei der Geschäftsführer der ermittelnden Firma wie von der Klägerin als Beweismittel angeboten als Zeuge zu hören.

Die Beweisaufnahme fand Ende Januar 2013 statt. Auf Seiten des Beklagten gesellte sich als sachverständige Person ein Informatikprofessor aus Hamburg hinzu. Bekannter Maßen ermittelt die im Herbst 2009 in Tauschbörsen für die Klägerin tätige schweizer Firma durch die Teilnahme an den Rechtsverletzungen mittels eines Filesharing-Clients (Shareaza) und fertig über die durch diesen Client angezeigten „Peer“-Listen Screnshots zu einer jeweiligen Sekunde an. Das Fazit des Gerichts: Die Aussage des Zeugen „reicht indes für sich genommen nicht aus, die Richtigkeit der Ermittlungen der X. AG zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts zu beweisen. Fragen zum technischen Hintergrund der Ermittlung von IP-Adressen durch das Programm „Shareaza“ konnte der Zeuge, eigenen Angaben nach kein IT-Experte, nicht hinreichend beantworten.“ Ein zwischenzeitlich eingereichtes „Parteigutachten“ eines „Betriebswirts“ und „Internetdiensteanbieters“ wurde nicht als Beweisangebot anerkannt. Der Rechtsstreit wurde zu diesem Punkt durch das Gericht als nicht entscheidungsreif bezeichnet.

Zuvor jedoch das Gericht zu den fraglichen Ermittlungen ein unabhängiges Sachverständigengutachten in Auftrag geben wollte, sollten zu der Thematik der „ordnungsgemäßen Ermittlung“ Zeugen vernommen werden. Zuletzt hatte die Klägerin noch hierzu unter anderem den Zeugen Ralph Dommermuth benannt, worauf hin das Gericht nachfragen musste, ob die Klägerin glaube, dass diese Person Auskunft über die kommende Beweisfrage geben könne.

Hierauf fanden Verhandlungen zwischen den Parteien statt, die zu dem erwähnten Ergebnis führten.

Persönliches Fazit

Es mag sich jeder selbst fragen, wie er in der Konstellation „Pappa/Anschlusinhaber allein zu Hause“ auf das Angebot/Ergebnis reagiert hätte. Bis zum Zeitpunkt des Endes des Verfahrens wurden jedenfalls beklagtenseits die richtigen Fragen durch die richtigen Personen gestellt. Ein solches Verfahren kann man auch mit Urteilen gewinnen.

Jedoch nahm dieses Verfahren die gleichen grotesken Züge an, wie das Verfahren AG Köln 125 C 602/09. Prognostizierte Dauer 4,5 Jahre, hier ein Ermittlungs-Kronzeuge der vor Gericht durchfällt, ein Vorstandsvorsitzender, der über die Beauskunftung in seinem Haus Zeuge stehen soll, ein recht verunsichertes und nicht handlungsstarkes Gericht.... jeder mag sich hierzu seinen Teil denken. Gerne wird an Verfahren wie an die Logistep-Verfahren am LG Berlin 15 O 1/11 + 15 O 2/11 erinnert, in denen das Gericht aus eigener Sachkunde heraus handlungsstark und zügig urteilte.So etwa shat weiterhin seltenheitswert.

Ein Ablaufbeispiel sei zum Abschluss erwähnt, damit man sich eine Vorstellung über den verwendeten Begriff „groteske Züge“ machen kann. „Die … verwendete Uhr wird automatisch per Internet jeweils alle 30 Minuten mit dem Atomzeitserver der physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig ...“ Tatsächlich. Aus diesem Muster-Textbausteinauszug einer Begründung geht nicht hervor, WAS die „verwendete Uhr“ nun mit dem ptb-Server alles so anstellt. Geimeint ist, dass die Uhrzeit mit dem Server synchronisiert wird. Die „verwendete Uhr“, ein noname-Freeware-Programm wurde beim Ermttlungsvorgang eingeblendet, damit der Ermittler (und später das Gericht) die korrekte Uhrzeit der Ermittlungshandlung angezeigt bekommt. Der Beklagte wandte uA ein, dass ein Zeitraum von 30 Minuten für eine Zeit-Synchronisation zu weit gefasst sei (Intoleranzen). Die „Konkurrenz“ arbeite löblich mit 5 Minuten-Abständen. Die „Freeware-Uhr“ wurde in Bezug zur Systemzeit als bedenklich eingestuft (Intoleranz-Beleg). Die Klägerin gab im Verlauf an, dass nicht die „verwendete Uhr“ sondern die Systemzeit selbst mit dem ptb-Server synchronisiert wird. Als Beweis legte die Klägerin einen Screenshot vor. Die Synchronisation fand demnach über das normale Windows-Modul hierfür statt und insofern alle 24 Stunden (sofern der Rechner überhaupt zu diesem Zeitpunkt an war, also eventuell eher alle zwei Wochen). Der Beklagte unterwies danach die Klägerin, wie man die im Jahr 2009 behauptete Synchronisation richtig hätte machen können, wenn man den speziellen Anweisungen des Betriebssysteme-Herstellers gefolgt wäre, welche von der Klägerin nun eben mal nicht vorgetragen sind und daher auch nicht 2009 implementiert sein konnten.

Nun... irgendwie verständlich, dass die Klägerin hernach die Klage zurück zog.

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