Samstag, 8. Juni 2013

AG Hamburg, Urteil vom 24.05.2013, 36a C 197/12

Die Rechtsanwaltskanzlei WBS in Köln berichtet aktuell über einen sehr erstaunlichen Vorgang, der eine gewisse Bandbreite entwickeln könnte.

RA Christian Solmecke schreibt:  "Das Amtsgericht Hamburg wies die Klage der Rechteinhaberin mit Urteil vom 24.05.2013 (Az. 36a C 197/12) ab. Das Gericht begründet das damit, dass die Klägerin den Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten nicht hinreichend dargelegt hat. Dabei kommt es nach Auffassung der Richter nicht auf die Frage an, ob die abgemahnte Tauschbörsennutzer die vorgeworfene Rechtsverletzung selbst begangen hat oder als Störer haftet. Denn er hat in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten, dass sich die Klägerin gegenüber ihrem Anwalt einem Gebührenzahlungsanspruch auf Basis der Vergütung nach dem RVG ausgesetzt sieht. Zumindest dann muss der Rechteinhaber zu dieser Frage ausführlich Stellung beziehen. Dies hat er jedoch nicht getan. Aufgrund dessen fehlt es an einer substantiierten Darlegung des Anspruches aus § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG."

Geht man zurück in der Abmahnhistorie der Geschäftsverbindung der Koch Media GmbH, Planegg (Kläger in Hamburg) und der Rechtsanwaltskanzlei Reichelt - Klute - Assmann, Hamburg finden sich Ende 2010 die ersten wirklichen prozessualen Gehversuche, zu Abmahnungen die angebliche Rechtverletzungen (Logistep) aus dem Jahr 2009 betreffen. Abgemahnt wird stets die unerlaubte Verbreitung eines Computerspiels, wobei in den Abmahnungen und Bettelbriefen vage Äußerungen über Gegenstandswerte im Bereich des Unterlassungsanspruchs und damit der Abmahnung in Bezug auf mögliche entstandene Rechtsanwaltskosten getätigt werden. Man spricht bspw. von 30.000,00€ = 1.085,40€ an Rechtsanwaltskosten. Verlangt wird jedoch ein Pauschalabgeltungsbetrag für alle Kosten in Höhe von 650,00€.

In der ersten mir vorliegenden Klage am Landgericht Berlin wurden die Gesamtkosten (Abmahnung, Auskunft, Rechtsverfolgung, Schadensersatz) als Teilschadensersatz geltend gemacht, wobei eine Aufschlüsselung fehlt. Das Landgericht Berlin verwies jedoch in der mündlichen Verhandlung im November 2011 die Klägerin darauf hin, dass es ohne Aufgliederung in entsprechende Kostenelemente Bedenken gegenüber der Zulässigkeit des Antrags habe. Die Klägerin führte darauf hin aus, die Beträge seien geschlüsselt in 350,00€ an Schadensersatz und nicht näher definierte 300,00€ an Rechtsvertretungskosten handeln. (Die Klage wurde iÜ im späteren Verlauf abgewiesen und die Berufung vor dem Kammergericht zurück genommen.)

In den späteren Verfahren am Amtsgericht Hamburg finden sich diese 300,00€ stets wieder.

Im Jahr 2011 jedoch stellte die Kanzlei Reichelt - Klute - Assmann für neuere Titel und seither wohl beständig die "Abrechnungspraxis" um. Man behauptete in der Masse, es stünde der Koch Media GmbH nun zu eine auf das RVG gestützte Abrechung vorzulegen. So wie für das streitgegenständliche Spiel "Dead Island" wurde ein Gegenstandswert in Höhe von 20.000,00€ angesetzt = 859,80€ an Rechtsanwaltskosten. 

Mir persönlich sind Klagen mit diesem Gegenstandswerten (eingereicht noch 2012) im März 2013 bekannt geworden, wobei die Frage sofort aufkam, wie es sich mit der plötzlichen Wandlung der Bemessungsfaktoren verhält. Ein weiterer Punkt ist, dass die Koch Media GmbH jedoch in dieser "Klageart" auf Schadensersatzforderungen verzichtet, es also eigentlich nur um die Rechtsanwaltskosten geht. Die Verfahrensbeteiligten auf Beklagtenseite wurden daher natürlich auf diese seltsame Entwicklung hingewiesen.

Es ist dabei nun sehr erfreulich, dass der Herr RA Solmecke hier sehr zügig (ohne mein Zutun) reagiert hat und diese wesentliche Frage gestellt hat. Die Antwort (Nichtantwort) ist eindeutig: Die alten Vereinbarungen zwischen Koch Media GmbH und Reichelt - Klute - Assmann, die allerdings auch nur behauptet, jedoch nie bewiesen wurden (nmK) gelten weiterhin. Aufgrund der sich wandelnden Rechtsprechung hat man jedoch die Aufschlüsselung in den Abmahnungen zu Rechtsverletzungen ab Mitte 2011 verändert und dabei sich erlaubt eine saftige "Preiserhöhung" einzukalkulieren. Dies ist schon im Ansatz gescheitert.

 Abgemahnte dieser Firma, die noch nicht gezahlt haben sollten diesen Vorgang im Hinterkopf behalten, auch wenn natürlich eine Berufung auf das Hamburger Urteil möglich ist. Ob Zahlern der Abmahnung hier eine Rückforderung zu steht und wie es sich mit dem berühmten B-Wort verhält, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass ... vgl. "Kormeier-Affaire". Hier wäre jeder selbst gefordert.

Freitag, 7. Juni 2013

OLG Köln, Beschluss vom 28.05.2013, 6 W 60/13

Update - Volltextveröffentlichung

Auf diese Entscheidung hat RA Mathias Straub, Kanzlei Riegger in Ludwigsburg hingewiesen.

Nachdem eine Beklagte in einem der immer noch üblichen Verfahren der Musikindustrie, vertreten durch die Kanzlei Rasch mit Ausgangs-Streitwert 5.380,80€ vor der 14.ten Zivilkammer des Landgerichts Köln erfolglos um Prozesskostenhilfe nachgesucht hatte, änderte das Oberlandesgericht Köln auf Beschwerde der Beklagten hin den Beschluss und bewilligte ihr Prozesskostenhilfe. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht natürlich noch aus. Der beschluss ist jedenfalls sehr begrüßenswert.

Im Kern der Entscheidung bestätigt das OLG Köln seine "neueren" Ansichten zu den Anforderungen eines Beklagtenvortrags, um grundsätzlich die tatsächliche Vermutung zu erschüttern, die Anschlussinhaberin selbst habe die Tathandlungen begangen. Diese tatsächliche Vermutung würde allerdings bereits dann erschüttert, wenn dargelegt werden kann, dass weitere Personen den Internetanschluss zu dem fest gestellten Tatzeitpunkt genutzt haben können. Die Beklagte trug hier vor, dass zwei erwachsene Kinder über einen Computer verfügten. Dies alleine sei ausreichend, um die Möglichkeit zu eröffenen, ein Dritter habe die Tathandlung begangen. Es könne auch desweiteren nicht von der Beklagten verlangt werden darzulegen, ob die Kinder zu dem Zeitpunkt tatsächlich das Internet genutzt hätten. Dies gilt auch, da nicht erwartet werden könne, dass die Beklagte noch über Wissen zu einem über fünf Jahre zurück liegenden Ereignis vorbringen könne. Es genüge hier die generelle Möglichkeit des Zugriffs durch die Kinder.

Das Landgericht hatte indes die Prozesskostenhilfe verweigert, da die Beklagte in der Erwiederung vorgetragen hatte, sie habe die Kinder zu dem Vorfall befragt. Diese hätten ihr gegenüber die Tathandlung bestritten. Das OLG entschied, dass die Beklagte mit diesem Vortrag nicht ausgeschlossen habe, dass eines der Kinder die Tathandlung begangen habe. Eine Befragung von Nutzern und insofern auch weitere Nachforschungen zu möglichen Tätern sei nicht einmal erforderlich, wenn die Tathandlung selbst durch die Beklagte bestritten werde. Es bestünde zudem die lebensnahe Möglichkeit, dass der Täter die von ihm begangene Handlung bestritten habe, um den zu erwartenden Konsequenzen zu entgehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2011, 22 W 82/11, MMR 2012, 40, 41). Die Beklagte habe für ihre Darstellungen auch ein ausreichendes Beweisangebot in Form von Zeugen angeboten.

Eine täterschaftliche Haftung der Beklagten als "Haushaltsvorstand" nach § 823, Abs. 1 BGB (LG Köln, Urteil vom 24.01.2013, 14 O 313/12) käme nicht in Betracht.

Die Klägerinnen hätten nun behauptet und unter Beweis gestellt, die Kinder hätten die Tathandlung nicht begangen. Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme sei offen, und daher die Verteidigung der Beklagten nicht ohne Erfolg.

Soweit das OLG Köln der Beklagten auch für den Bereich der Störerhaftung Prozesskostenhilfe beweilligt hat, führte es aus, dass zwar der Senat selbst mehrfach hierzu Entscheidungen getroffen habe, jedoch im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2012, 1 BvR 2365/11 die Revision über die Frage der Prüf- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf erwachsene Nutzungsberechtigte zugelassen habe, die auch eingelegt worden sei. Es ist jedoch im PKH-Verfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig schwierige und nicht geklärte Rechtsfragen zu entscheiden. Die Prozesskostenhilfe könne der Beklagten damit nicht versagt werden.

Ergänzend führte das OLG Köln aus, dass zwar der bisherige Vortrag der Beklagten nicht geeignet sei eine den Vorgaben des BGH im Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08 entsprechende Absicherung des W-LAN-Funknetzwerkes darzulegen. Dies sei jedoch aufgrund des nicht bekannten Ergebnisses der kommenden Beweisaufnahmen kein relevanter Punkt.

Samstag, 1. Juni 2013

010612