Dienstag, 24. Juli 2012

Landgericht N.N., Beschluss vom N.N.2012


 Aus aktuellem Anlass ist auf eine rechtliche Besonderheit hinzuweisen.

Ein leider fast alltäglicher Fall: Ein Internetanschlussinhaber wurde von einer Kanzlei wegen einer unerlaubten Handlung in p2p-Tauschbörsen abgemahnt. Jedoch erreichte die Abmahnung die Person nicht. Daher wurde von ihm auch keine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Kanzlei stellte stellte umgehend einen Antrag auf den Erlass einer Einstweiligen Verfügung. Das Landgericht N.N. gab dem Antrag statt.

De Beschluss wurde der Kanzlei durch das Gericht zugestellt. Nun muss allerdings der Antragssteller einer Verfügung von dem Titel Gebrauch machen, und ist damit für die Zustellung der Verfügung an den Antragsgegner selbst verantwortlich.

Hierfür gibt es jedoch eine Frist von einem Monat nach Zustellung der Verfügung an den Antragssteller. Für die Zustellung gelten die Regeln des § 191 ZPOff. Die Zustellung kann wirksam von Anwalt zu Anwalt, durch einen Gerichtsvollzieher, oder in dessen Auftrag durch die Post, wobei für die Post die bekannten Regeln gelten (Zustellungsurkunde).

Natürlich hatte die Person in Unkenntnis der Abmahnung hier keinen Rechtsanwalt. Der Versuch der Zustellung des Beschlusses wurde zwar fristgerecht durch den Antragsteller versucht, scheiterte jedoch. Die wirksame Zustellung innerhalb der Monatsfrist konnte durch den Antragsteller nicht nachgewiesen werden. Ebenso wenig konnte eine Heilung von Zustellmängeln (§ 189 ZPO), zB der Verletzung von zwingenden Zustellvorschriften (Zustellungsurkunde) belegt werden.

Insofern beschloss das Landgericht N.N. In diesem Sonderfall, dass dem Antragsteller die Kosten des Antrags auf Erlass der Einstweiligen Verfügung aufzuerlegen seien.

Gegen den Beschluss ist die Möglichkeit einer Beschwerde noch gegeben.

Donnerstag, 19. Juli 2012

LG Frankfurt, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 2-06 S 3/12


Bereits am Tage nach der Verkündung wurde ein Urteil des Landgerichts Frankfurt zum Thema des "Fliegenden Gerichtsstands" veröffentlicht. Es handelt sich dabei um einen der Top-Anwärter für den Titel "Schlampiges Urteil nicht wirklich interessierter Richter".

In der Vorgeschichte hatte das Amtsgericht Frankfurt im Urteil vom 13.02.2012, Az.: 31 C 2528/11 sich ausführlich mit dem dem "Institut des Fliegenden Gerichtsstandes" auseinander gesetzt. Das Landgericht Frankfurt jedoch geht in keiner Silbe auf die Argumentationen ein, sondern erhebt die "Abrufbarkeit" eines Werks zum entscheidenden Abrgenzungskriterium bei der Anwendung des § 32 ZPO. (Volltext)

Hierbei stellt das Landgericht Frankfurt eine vollständige Unwissenheit über den Ablauf einer rechtswidrigen Handlung in p2p-Tauschbörsen zur Schau. Dabei läßt sogar Darwin grüßen:

 "f) Bei dem hier zugrunde liegenden Fall einer Peer-to-Peer-Verbindung im Rahmen eines sog. „File-Sharing“-Programmes ist die Frage der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit leicht zu beantworten: Derjenigen, der – nach dem Klägervortrag – in Gersheim in eine bundesweit abrufbare Tauschbörse einen Titel einstellt, weiß nicht nur, sondern bezweckt auch gerade, dass das „Angebot“ zur Vervielfältigung dieser Datei von möglichst vielen Menschen an möglichst vielen Orten im gesamten Bundesgebiet angenommen wird. Zweck des „Filesharing“-Systems ist es nämlich, durch eine möglichst hohe Zahl an Teilnehmern die Auswahl und das Verbreitungsgebiet zu vergrößern. Der Nutzer einer solchen Tauschbörse beabsichtigt daher nicht, dass lediglich die Nutzer im Bezirk seines Wohnsitzgerichtes oder dem Sitzgericht des Rechteinhabers die Datei herunterladen, sondern gerade möglichst umfassend in der gesamten Bundesrepublik und der gesamten Welt. Die Tatsache, dass der Nutzer den Verbreitungsort aufgrund der „technischen Zwänge“ einer Tauschbörse im Peer-to-Peer-Netzwerk nicht beeinflussen kann, führt nicht zu seiner Privilegierung. Vielmehr hat die Nutzung derartiger Netzwerke in voller Kenntnis ihrer enormen Verbreitungsdimension dann eben auch die Ausweitung möglicher Gerichtsstände zur Folge. Die Vermehrung der möglichen Gerichtsstände ist insoweit nur das Spiegelbild der Vermehrung der Verbreitungsmöglichkeit durch File-Sharing-Netzwerke."

 Die Fehler sind rot markiert. Grundsätzlich sind die Feststellungen der üblichen Ermittlerfirmen der Kanzlei Kornmeier kaum geeignet zu belegen, dass zum angeblich notierten Tatzeitpunkt das Werk selbst sich in der Zugriffsspähre des Beklagten befunden hat, sprich sich überhaupt auf der Festplatte von der das angebliche Angebot ausging das Werk befand. Bei den hier vorliegenden "Container-Abmahnungen" wird kein psysikalischer Beweis für das streitgegenständliche Werk angeboten. Es fehlt dabei hauptsächlich die Angabe, ob der Container selbst sich insgesamt bereits im Besitz des Beklagten befand. Die Behauptung der Beklagte habe "einen Titel eingestellt" ist generell durch nichts bewiesen. Dies ist auch für die Entwicklung eines Unerlassungsanspruchs auch gar nicht nötig. Schon der Versuch einer rechtswidrigen Handlung wäre ausreichend. Für die Begründung einer Täterhaftung, oder wie hier der Entwicklung eines "entscheidenden Abgrenzungskriteriums" jedoch ist dies von übergeordneter Bedeutung. Es fehlt zudem der Beweis der Ermittlungsfirma, dass tatsächlich das Werk im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Frankfurt abgerufen wurde. Andere Ermittlungsfirmen behaupten dies zumindest, was für die Minderwertigkeit der tatsächlich im Streitfall ermittelten Daten und deren Organisation spricht.

Die folgende Abhandlung über Motive und Absichten eines kompletten Tauschbörsenschwarms und die Übertragung auf einzelne Internetanschlussinhaber, bei denen allerhöchstens eine tatsächliche Vermutung dafür spricht selbst Täter zu sein summiert sich im Begriff: "Sippenhaftung". Die durch das Landgericht vorgenommene präjudizielle Ableitung aus nicht näher bekannten "Erfahrungswerten" (mutmaßlich Übernahme des Vortrags des Berufungsklägers) ist abzulehnen. Sicherlich existieren in Schwärmen die unterschiedlichsten Einzelmotive und Interessen. Die Gleichsetzung der Motive organisierter "Firstseeder" mit den Motiven derlei Musik konsumierten (mit Verlaub) kleinen 12-jährigen Mädchen aus einem unbedeutenden Kaff am Rande der Republik (Beispielhaft) ist an Absurdität (und Frechheit) nicht zu überbieten. Es steht dem gleich zu behaupten, eine kleine Ladendiebin würde die Motive einer organisierten Bankräuberbande in sich tragen.

Da die wesentlichen Punkte bei der Diskussion um den "Fliegenden Gerichtsstand" vom Landgericht Frankfurt ignoriert werden, können sie hier auch nicht angesprochen werden. Der entsprechende Bereich:

  "e) Die weiteren vom Amtsgericht unter Bezugnahme auf Danckwerts (GRUR 2007, 104) angeführten Bedenken gegen den fliegenden Gerichtsstand (z.B. Gefahr des „Kopf-in-den-Sand-Steckens“ aufgrund eines weit entfernten Gerichtsstandes) stellen sich demnach teilweise als rechtspolitische Forderungen, teilweise als im Rahmen der Prüfung eines möglichen Rechtsmissbrauchs zu bewertende Argumente dar. Sie sind jedoch nicht geeignet, die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu verneinen."

besteht aus netten Floskeln. 

Es überrascht dann wenig, dass 

- die Nichtzulassung einer Revision ist falsch, allein schon da es keine BGH-Rechtsprechung bezüglich der Konstellation § 32 ZPO und § 97a UrhG gibt. Auch das örtliche OLG hat sich mit der frage noch nicht befasst.

- die Annahme eines Streitwets von 10.000,00€ als Grundlage der Berechnung der Rechtsanwaltskosten bei einer "One-Song-Abmahnung" entspricht nicht der mittlerweile von den OLGs in Frankfurt, aber auch Köln und Düsseldorf entschiedenen Schätzungen.

Fazit: Die Extremfälle gehen weiter. Der abgemahnte Bürger bleibt der Spielball willkürlicher Gerichtsstandortwahl und darf zur Not mit Mann und Maus von Husum nach Oberammergau zur Vergleichstreiberei.









Donnerstag, 12. Juli 2012

AG Hamburg, Az.: 36a C 272/12 - Klagerücknahme


I - Kernddaten

Klage vom 27.03.2012 - Verfügung vom 21.05.2012 - Gegenstandswert 500,00€
Klägerin: Polnischer Spieleentwickler vertreten durch rka, Hamburg
Beklagter: Selbstverteidiger, externer Sachverständiger (unentgeltlich)

Rücknahme der Klage ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage am 03.07.2012.
Die Klage kann iÜ noch bis ins Jahr 2015 neu erhoben werden. (§ 269 ZPO)

II - Sachverhalt

Ein ehemals in der Schweiz ansässiges p2p-Überwachungsunternehmen hatte im Juni 2011, in einem Zeitraum von 6 Tagen 1 Stunde und 16 Minuten insgesamt 56 Einzelnachweise einer Rechtsverletzung an dem Werk "T... W... 2", ausgehend von insgesamt sieben unterschiedlichen IP-Adressen, die im Rahmen von zwei Auskunftsverfahren nach § 101, Abs. 9 UrhG dem Anschluss des Beklagten durch den Provider zugeordnet wurden erstellt. 

Der Beklagte wurde abgemahnt, gab eine "modifizierte Unterlassungserklärung" ab und zahlte nicht.

Zügig erhob die Klägerin Klage am Amtsgericht Hamburg, wohl "in Ansehung der oben ersichtlichen Vielzahl der über den Internetanschluss fest gestellten Verstöße", da hier "Fehler bei der Ermittlung von IP-Adressen und/oder deren Zuordnung zum Internetanschluss des Beklagten" auszuschließen seien.

Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen

III - Verteidigung

Das Gericht hatte zunächst am 21.05.2012 ein schriftliches Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 495a ZPO verfügt. Dem Beklagten blieben somit (ohne Fristverlängerungsantrag) zwei Wochen nach Zustellung der Klage Zeit auf die Klage zu erwidern. Er hielt die Frist ein.

In der Erwiderung bestand der Beklagte auf einer Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts (keine Entscheidung). Er bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin. Auf Basis des (nicht rechtskräftigen) Urteils des LG Berlin, Az.: 15 O 2/11), ebenso ein Verfahren mit polnischem Spielehersteller, bestritt der Beklagte überaus substantiiert (incl. Beweisvideo), dass die Klägerin (wie behauptet) das streitgegenständliche Spiel in Eigenregie hergestellt habe. Zudem hatte die Klägerin nach Ansicht des Beklagten hier die Rechtekette nicht ausreichend dargelegt. Dies gilt ebenso für die Vergabe von ausschließlichen Verwertungsrechten. Der Beklagte stellte über Veröffentlichungen Unstimmigkeiten im Vortrag der Klägerin fest. Diese hielt nach Angaben der Verffentlichungen zu den Tatzeitpunkten keinerlei Rechte, da diese bei einer "Mutterfirma" der Klägerin lagen und diese mit bekannten Publishern Verträge geschlossen hatte. Darüber hinaus bezog sich die streitgegenständliche Datei nicht wie behauptet auf eine Version des Spiels, welche (wie behauptet) im deutschsprachigenRaum vertrieben wurde, sondern auf eine Version für den US-amerkanischen Markt. Abschließend befand der Beklagte, dass sich die Klägerin auch nicht auf die Vermutungswirkung des § 10, Abs. 1 UrhG berufen könne.

Der Beklagte bestritt insofern, dass die Beschlüsse des  Landgerichts Köln der Maßgabe der Offensichtlichkeit einer Rechtsverletzung (§ 101, Abs. 2 UrhG) entsprechen. Er erkannte ein Beweisverwertungsverbot.

Der Beklagte führte den Einwand des Rechtsmißbrauchs nach BGH, Urteil vom 15.12.2011, Az.: I ZR 174/10.

Recht ausführlich (wie man im Rahmen von zwei Wochen und einem Auslandsaufenthalt des Beklagten vortragen kann) legte der Beklagte Angaben, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorzubringen sind vor. Er benannte die Nutzungsberechtigten des Anschlusses. Von wesentlicher Bedeutung waren hier Ereignisse in der angeblichen Tatwoche, wie der Tod einer nahen Verwandten, ein Auslandsaufenthalt eines Nutzungsberechtigten, eine Großveranstaltung, die der überaus angesehene und ehrenamtlich überaus aktive Beklagte, der von untadeligem Ruf ist betreute. Natürlich verabsäumte der Beklagte nicht über das Thema der "W-LAN-Absicherung" seines Routers zu berichten. Der Beklagte gab sogar an, sog. p2p-Tauschbörsen zu ausschließlich legalen Zwecken zu nutzen. Der Beklagte verdeutlichte seine Sicht der Rechtslage.

Die Ermittlungen der spezialisierten Firma wurden durch den Beklagten nicht allein mit Nichtwissen bestritten. Neben der obigen Problematik - die Ermittlungsfirma hatte behauptet die streitgegenständliche Version überprüft zu haben, wobei es sich offensichtlich um eine andere Version handelte - konnte der Beklagte Zweifel an der "Echtheit" eines als Anlage und Beweis geführten "Verifizierungsprotokolls", ausgestellt von der Ermittlungsfirma als "Versicherung an Eides statt" vorbringen. Ohne das hierüber entschieden wurde, und/oder ein forensisches Gutachten erstellt wurde (was aber irgendwann wohl noch kommen wird), bemerkte der Beklagte anhand von Gegenüberstellungen der Unterschrift eines der Unterzeichner, dass diese nicht von einer Person, sondern von mehreren stammen müßten, ergo keine eigenhändige Unterschrift eines Zeugen darstellen könnten. Auch im Allgemeinen wurde der Vortrag der Klägerin vom Beklagten zu den Ermittlungen als zu unreichend bewertet.

IV - Ergebnis

Die Klägerin zog nach dem Vortrag des Beklagten ohne weitere Begründung die Klage zurück.