Dienstag, 27. März 2012

AG Erfurt, Az.: 13 C 1886/10

Wie bereits berichtet wurde, zog zum 01.02.2012 die Klägerin die Klage am Amtsgericht Erfurt zurück. Inwiefern nun (und durch wen) der Beklagten die entstandenen Rechtsanwaltskosten erstattet werden wird noch abzuwarten sein. Heute der allerdings erstaunliche Verlaufsbericht.

Vorgeschichte

Eine Internetanschlussinhaberin erhielt ein handelsübliches Massenabmahnschreiben der Kanzlei S.&W. aus K.. Ihr wurde vorgeworfen ein Computerspiel einer gewissen T. GmbH aus B. in p2p-Tauschbörsen verbreitet zu haben. Die Abgemahnte konnte mit dem Vorwurf nichts anfangen. Sie bezahlte die vorgebrachten Beträge nicht und gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ab.

Nach einem fruchtlosen Erinnerungsschreiben der Kanzlei S.&W. meldete sich ein badisches Inkassounternehmen bezüglich der Forderungen. Die Abmgemahnte widersprach nach bekanntem Muster den Forderungen und meldete sich trotzt mehrerer Schreiben seitens der Inkassofirma und deren Rechtsanwalt nicht wieder.

Im Februar 2010 traf zur bösen Überraschung der Abgemahnten ein Schreiben des Rechtsanwaltes H. aus B.-B. ein. Dieser übermittelte der Abgemahnten freundlich, ie solle sich wegen der Bezahlung des gegen Sie erwirkten und nicht widersprochenen Vollstreckungsbescheides melden. Die Abgemahnte hatte jedoch weder einen Mahnbescheid, noch einen Vollstreckungsbescheid erhalten.

Ablauf Gericht

Die Abgemahnte sandte nun an das im Schreiben der Kanzlei H. erwähnte Mahngericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, dies natürlich begründet. Da das Schreiben des Rechtsanwalts H. jedoch 2 Monate und 18 Tage nach der angeblichen Zustellung des Vollstreckungsbescheides eintraf, waren die Fristen hierfür längst überschritten. Sie stellte auch den Antrag auf Akteneisicht.

Das Mahngericht gab dem Antrag zwar statt und versandte die Akte an das Streitgericht. Akteneinsicht wurde nicht gewährt.

Das Streitgericht - AG Altenburg, Az.: 5 C 148/10 - verfügte jedoch nach Eingang der Klageschrift, dass es angesichts der Fristüberschreitung (Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid = 2 Wochen nach Zustellung) der Beklagten keine Gelegenheit zur Abwehr geben würde.

Die Beklagte war mittlerweile durch eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei vertreten. Diese beantrage natürlich die Verweisung des Rechtsstreits, da für Thüringen in Urheberrechtssachen das AG Erfurt zuständig ist. Zu dem Thema der Nichtzustellung des Mahnbescheides (eigentlich Grundlage des Vollstreckungsbescheides) durch eine private Zustellerfirma gaben die Beklagte und ihr Lebensgefährte eine Eidesstattliche Versicherung ab. Die erforderliche Zustellurkunde des Mahnbescheids war nach Angaben des Mahngerichts mittlerweile vernichtet worden. Die Zustellurkunde des Vollstreckungsbescheids lag vor. Die Beklagte beantragte die Ladung des Zustellers als Zeugen. Weitere Beweismittel wurden von der Beklagten hergestellt.

Nach zwei Schriftsätzen der Beklagten wurde durch das Amtsgericht Altenburg die eigene Unzuständigkeit erklärt. Der Rechtsstreit ging nach Erfurt.

Der Richter in Erfurt konnte trotzt der Eingaben der Beklagten keinen Anlass sehen den Rechtbestand des Vollstreckungsbescheides zu durchbrechen. Zur Erörterung der Zustellung wurde aber eine Beweisaufnahme auf den 15.11.2010 anberaumt.

Bereits im Oktober 2010 konnte jedoch die Beklagte dem Gericht mitteilen, dass die Klägerin zwischenzweitlich insolvent geworden sei. Hierauf wurde der angesetzte Termin aufgehoben und das Verfahren ruhte.

Am 01.02.2012 ... fast zwei Jahre nach Eintreffen der schlechten Botschaft bei der Beklagten ging die Meldung am Amtsgericht Erfurt ein, die Klägerin zöge die Klage zurück. Zwischen November 2010 und Februar 2012 war es zu keinen weiteren Meldungen, oder gar Vollstreckungsversuchen gekommen.

Prozeßkostenrisiko

Nun kann natürlich kaum jemand prognostizieren, ob gelungen wäre die angeblichen Zustellungen erfolgreich anzugreifen. Die Chancen standen nicht sooo schlecht, da die Beklagte und ihr Lebensabschnittgefährte überaus kooperativ waren, eine hervorragende Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet wurde und man sich unter Einbeziehung eines Zustellexperten bestens vorbereitet hätte.

Im Verlustfall drohten der Beklagten neben der Forderung in Höhe von 1.030,96€ die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 743,93€, danebst Zeugengeld für den Zusteller 200,00€ und die Reisekosten des eigenen Rechtsanwalts 200,00€ = ca. 2.174,00€.

Das alles (Privatkommentar), weil ein Zusteller die Arbeit nicht richtig gemacht hat und eventuell ein Nachbar....

Insofern freute es die Organisatoren der Netzwelt.de-Spendenaktion sehr, sich hier hilfreich an die Seite der Beklagten zu stellen, umso mehr da die Angelegenheit nun endgültig für die Abgemahnte erledigt ist.

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