Donnerstag, 15. Dezember 2011

LG Berlin - Fortsetzung

Teil V - Aktivlegitimation 15 O 1/11

Wikipedia: "Die Aktivlegitimation bezeichnet die Befugnis des Klägers, den eingeklagten Anspruch geltend zu machen. Aktivlegitimiert ist derjenige, der Inhaber des geltend gemachten Rechts ist. Fehlt sie, so wird die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Aktivlegitimation Teil des materiellen Rechts (der Begründetheit einer Klage) ist."

Das Landgericht Berlin wies die Klage als unbegründet ab, da die Klägerin nicht dargetan habe, dass sie Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte am Werk "X." ist.

Das Gericht führte nach Feststellung der Urheberrechtsfähigkeit des Werkes (Computerspiel) aus:

Diese durchgehende "Lizenznehmerkette" wurde von der Klägerin schon beim ersten Schritt zurück nicht dargetan. Die Klägerin behauptete, sie habe für die deutsche Version des Werks Rechte von ihrer österreichischen Schwesterfirma übertragen bekommen. Der Beklagte hingegen hatte schon diesen Vorgang wirksam mit nichtwissen und konkretisiert bestritten. Auf dieses Bestreiten hin legte die Klägerin weder einen Vertrag vor, noch "was wann vereinbart worden sein soll". Als ein Unternehmen, welches für sich in Anspruch nähme, ein erfahrener, optimaler und führender Vermarkter von digitalen Entertainmentprodukten zu sein, wäre es bei lebensnaher Betrachtung auszuschliessen, dass solche Rechteübertragungen nicht schriftlich fest gehalten würden, so die Richter am LG Berlin. Die Klägerin hatte auch nicht behauptet, es gäbe keinen Vertrag, sondern sie behauptete, sie könne keine Verträge vorlegen, da es sich um "Interna" der Firmen E. Ltd. (nach dem Vortrag der Klägerin zunächst Spielentwickler), W. B. (Publisher) und D.C. (Markeninhaberin) handeln würde. Dies sorgte für Unverständnis, da die Klägerin an zwei dieser Firmen beteiligt sein will.

Die Klägerin verwies auf eine Anlage, die den Titel "Eidesstattliche Versicherung" trug (... in dem ein Vertrag erwähnt wurde). Hier verkenne die Klägerin das deutsche Prozessrecht, nach dem in Zivilprozessen der Strengbeweis gelte. Eine Glaubhaftmachung gelte nicht. Davon unabhängig hatte die Klägerin nur eine Kopie eingereicht, womit man nur belegen könne das es ein solches Papier gäbe.

Von wesentlicher Bedeutung erkannte das Gericht einen schweren Widerspruch im Sachvortrag der Klägerin: Einerseits habe die Firma E. Ltd. der österreichischen Schwestergesellschaft der Klägerin ein nicht übertragbares Recht ("non-transferable") übertragen. Andererseits wollte die Klägerin eben Rechte übertragen bekommen haben.

In Bezug auf die Vermutungswirkung des § 10 UrhG, Abs. 1 könne die klägerin sich nicht mit Erfolg hierauf berufen, da diese Norm sich nur auf Urheber, jedoch nicht auf den Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte beziehe. Die Wirkung des § 10 UrhG, Abs. 3, Satz 1 bezihe sich allein auf den Einstweiligen Rechtsschutz und die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, welches beides hier nicht der Fall sei.

Das Gericht stellte auch fest, das die oben erwähnte Angabe der Klägerin, die E. Ltd. sei "Spielentwickler", sich durch die Vorlage einer Webseitenkopie nicht belegen liesse, da dort als Spielentwickler eine ganz andere Firma genannt sei. Dort würde man die E. Ltd. als Publisher führen. Selbst wenn man diesen Vermerk als ausreichend ansähe eine tatsächliche Vermutung auszulösen, bezöge sich diese allein auf die E. Ltd. und nicht auf die Klägerin. Durch die gesetzgeberische Eingrenzung des § 10 UrhG dürfte aber auch für die E. Ltd. diese Vermutung zu weit gehen. Zum letzten Schritt einer Rechtekette könne eine solche Vermutung jeden falls nichts beitragen.

Das Zwischenfazit:

In dieser Situation käme eine Beweisaufnahme mit den durch die Klägerin angebotenen Zeugen nicht in Betracht, da dies auf eine prozessual unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre. Die Klägerin habe zudem Zeit genug gehabt, sich nach dem Bestreiten des Beklagten ausreichen ohne richterlichen Hinweis zu erklären.

Die selben Gründe würden sinngemäß auch dazu führen, dass der vorletzte Schritt der Rechtekette nicht dargetan sei. Zwar könne die Klägerin aus dem Vertrag der österreichischen Schwestergesellschaft mit der E. Ltd. zitieren, könne aber diesen nicht vorlegen, weil er "Interna" der E. Ltd. sei. Es sei auch nicht fest zu stellen, dass die Firma E. Ltd. berechtigt sei Lizenznehmerverträge zu vergeben.

(Aktivlegitimation - 15 O 2/11 demnächst...)

LG Berlin - Fortsetzung

Teil III - Schadensersatz und Auskunft

Die Absicht der Klägerinnen vom Beklagten mehrere Tausend Euro Schadensersatz zu erlangen, scheiterte schon im Ansatz, denn der Beklagte verfügte zu den Tatzeitpunkten im Privathaushalt über keine "internetfähigen Endgeräte". Die einzigen Geräte im Haushalt waren das Eigentum des im Haushalt wohnenden Sohns D.. Weder der Beklagte, noch seine Ehefrau nutzten diese Computer, hingegen eine vorhandene Schwester den Internetanschluss nur sporadisch.

Die Berliner Richter lehnten eine Haftung als Täter oder Teilnehmer auf Grundlage des § 832 BGB (Aufsichtspflicht) insofern ab, da der "allein noch als Täter in Betracht kommende Sohn" zu den Tatzeitpunkten volljährig war und auch nicht wegen seines geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedurfte.

Eine mittäterschaftliche Haftung nach § 830 BGB unter dem Aspekt der Verletzung von Verkehrspflichten, also der sogenannten Störerhaftung, die es ermöglicht habe, dass der Sohn (oder ein Dritter) die unerlaubte Handlung begangen habe scheide auf Basis der aktuellen Rechtsprechung des BGH aus. Der BGH habe im Urteil "Sommer unseres Lebens" - I ZR 121/08, vom 12.05.2010 deutlich gemacht, dass für eine täterschaftliche Haftung nicht allein der Eintritt eines bestimmten Verletzungserfolges ausreiche, sondern (hier) ein Internet-Anschlussinhaber selbst einen handlungsbezogenen Verletzungstatbestand verwirklicht haben muss. Der Rechtsgedanke der Verletzung einer Verkehrspflicht könne daher im Urheberrecht nicht zu einer täterschaftlichen Haftung führen.

Mit dieser Begründung wurden natürlich auch die beantragten Auskunftsansprüche abgelehnt.

Teil IV - Aktivlegitimation - Part I

Im Verfahren 15 O 1/11 wurde bei den Ermittlungen des Falls auf Beklagtenseite Erstaunliches zu Tage gefördert:

Das Folgende ist ein privater Kommentar des Verfassers. Er stellt seine alleinige persönliche Meinung dar.

Nun führt uns dieses kleine "Juwel" wieder in die Diskussion der Prüfung von Auskunftsanträgen am Landgericht Köln, oder wie hier vorliegend LG Bielefeld. Sogar wenn man annähme, dem Rechteinhaber würde in der Berufung gelingen ausschließliche Rechte am Werk darzulegen, was bislang gescheitert ist, fehlt tatsächlich sogar jeder Sachvortrag zum obigen Thema.

Eine Ermittlungsfirma erhält den Auftrag ein bestimmtes Werk von einem bestimmten Rechteinhaber zu überwachen. Nach den Versicherungen an Eides statt wäre ein Vorgang von obiger Dimension unvorstellbar, da man behauptet die jeweiligen Dateien nicht nur herunter zu laden, sondern auch zu prüfen, ob diese der dem Rechteinhaber zugehörigen Orginal-Version gleicht. In diesem Fall wurde aber nicht einmal die unterschiedliche Sprache für erheblich erachtet, sondern nur wahllos IP-Adressen produziert. Dieser Skandal an sich läßt uns hinterfragen, welchen Kriterien die abmahnende Kanzlei denn bitte schön bei der Abmahnerei zur Prüfung anwendet. Genau: Keine, es wird nur abgemahnt. Von einer "Rückrufaktion" der deutlich erkenbaren unberechtigten Abmahnungen, oder gar einer Rückzahlung der unberechtigt einkassierten Gelder habe ich noch nichts gehört.

Damit ist dieser Bereich (vorerst) abgeschlossen. Im letzten Teil der Serie wird man den Bereich "Aktivlegitimation" erneut aufzugreifen haben, da es beiden Klägerinnen nicht gelungen ist darzulegen, dass sie ausschließliche Rechte an den jeweiligen Werken geltend machen können.

Dienstag, 13. Dezember 2011

LG Berlin 15 O 1/11 + 15 O 2/11, Urteile vom 29.11.2011

Bevor ich zu den wohl mit erstaunlichsten Urteilen im Bereich der Filesharing-Abmahnungen im Jahr 2011 komme, möchte ich dem Herrn Rechtsanwalt Volker Küpperbusch, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht herzlichst zu der Bestellung zum Notar gratulieren. Ich wünsche ihm weiterhin viel Erfolg und alles Gute.

Die Urteile des Landgerichts Berlin sind nicht rechtskräftig. Es dürfte im Frühjahr 2012 zur Berufung vor dem Kammergericht Berlin kommen. Aufgrund der rechtlichen Dimension ist eine Revision des Bundesgerichtshofs nAdV absolut zwingend.

Die Klagen selbst weichen stark vom üblichen Muster von Filesharingklagen ab. Daher sind intensive Besprechungen der einzelnen Bereiche notwendig. Nach dieser Einleitung wird ausführlich über den Bereich "Ermittlungen" zu sprechen sein, der unabhängig von den weiteren Teilen zu sehen ist. Das bedeuted, die Klägerinnen verloren den Rechtsstreit in jedem der einzelenen Bereiche (wie Täterhaftung, Aktivlegitimation). Ende der Woche folgt der zweite Teil des Berichts.

Teil I - Anträge

Eine Feststellung des Streitwerts ist nicht erfolgt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Gericht den Streitwert beläßt: Der Streitwert zu 15 O 1/11 läge bei 5.982,00€; zu 15 O 2/11 bei 6.150,00€. Hierbei lagen handelsübliche "Computerspiel-Abmahnungen" den Klagen zu Grunde. Es kann sich bei diesen Summen jeder denken, welche Signalwirkung ein Scheitern des Beklagten bedeuted hätte. Von daher war es absolut die richtige Entscheidung des Beklagten vollständig professionell arbeitende Vertreter mit der Führung des Verfahrens zu betreuen. An dieser Stelle auch der Dank für das Vertrauen.

Die Klagen wurden vom Landgericht Berlin vollständig abgewiesen. Beantragt wurde von der jeweiligen Klägerin:

1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, dass der Beklagte das Computerspiel "X." ohne Einwilligung der Klägerin in P2P-Netzwerken zum Herunterladen bereit gehalten hat.
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen geordnet Auskunft zu erteilen und zwar unter der Angabe
a)~ soweit bekannt - von Dritten, die das Computerspiel "X." von dem Beklagten erhalten haben, dies unter Datumsangabe und namentlicher Nennung derselben und deren Anschriften,
b) der Verbreitungswege, insbesondere der Filesharingbörsen, auf denen das Computerspiel "X." von dem Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde,
c) die Zeiträume, in denen das Computerspiel "X." von dem Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde.
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Teischadensersatz über 650,00€/468,00€, nebst Zinsen ... seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Die Klage war erkennbar auf eine eigene Täterschaft oder Teilnahme an der Rechtsverletzung, nicht aber auf eine Haftung des Beklagten als Störer gestützt. Wer nun denkt, es hätten der Klägerin Indizien vorgelegen, die eine solche Klagefassung gerechtfertigt hätten, liegt falsch. Der Beklagte hatte kein Schuldeingeständnis in welcher Form auch immer geäußert. Er hatte auch eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben und nicht das vom Abmahner mitgesandte Orginal verwendet. Die Klage wurde insofern "ins Blaue hinein" gegen eine Person gerichtet, ohne das der Abmahnkanzlei bekannt war, wie die tatsächlichen Verhältnisse liegen, was die Verteidigung erschwerte, wenn man bedenkt wie verschiedene Urteile des LG Köln aussehen.

Teil II - Die Ermittlung

Voran gestellt sei, dass dieses Gericht sich überaus intensiv mit den Beweismitteln, die die Klägerinnen anboten beschäftigt hat. Die Richter sahen sich auch in der Lage ohne die andernorts üblichen Ausreden (Sachverständigengutachten) Beweismittel logisch einzuordnen.

Das Landgericht Berlin stellte in den Urteilen fest: Gegen die Bedenken des Beklagten zum Thema "öffentliche Zugänglichmachung" i. S. d. § 19a UrhG, bestünde kein Zweifel, dass das Bereithalten eines Computerspiels in einer sog. Tauschbörse zum Herunterladen ein solcher Fall wäre. Erste Vorraussetzung eines auf diesen Vorgang gestützten Schadensersatzanspruchs sei aber die Feststellung, dass das Computerspiel tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen angeboten wurde. Die Klägerinnen seien aber Ihrer Last, die dafür erforderlichen Umstände darzulegen nicht nachgekommen. Das Vorbringen der Klägerinnen ließe nicht auf ein sicheres Funktionieren und Ablaufen des Ermittlungsverfahrens schließen.

Man ließt richtig. Es sind zudem Paralellen mit der aktuellen Lage "in München" zu erkennen. Wie auch bei den dortigen Klagen der "Musik- und Hörbuchindustrie" suchten die Klägerinnen in Berlin mit der Vorlage einer Reihe von Zeitpunkten ("Sekundenzeiträumen") dem Gericht darzulegen, es sei über eine Verletzungshandlung "über Tage hinweg" gekommen. Die Berliner Richter konnten aus dem Vortrag nicht erkennen, ob es sich bei dem fest gestellten Angebot um eine voll funktionsfähige Version des Werkes handelte, oder etwa ein mehr oder weniger kleiner Ausschnitt. Sie rügten, dass sich die Eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters der bekannten und vom BGH "geadelten" L. AG nur auf einen Teil der Ermittlungen beziehe. Sie stellten zudem fest, dass keine tatsächlichen Ahnhaltspunkte vorlägen, der angebotene Zeuge habe sämtliche der in Frage kommenden Überprüfungsschritte höchstpersönlich vorgenommen. Auch sei offen geblieben, wie der Zeuge durch einen "manuellen Abgleich" einer im Internet aufgefundenen Datei mit einem bestimmten Hashwert mit einer Orginal-Datei feststellen will, dass es sich bei der angebotenen Datei um eine voll funktionsfähige Version des Werkes handeln würde.

Im Weiteren wurde den Richtern des LG Berlin zu Folge durch die Klägerinnen nicht substantiiert dargetan, dass die vermendete Software unter den Umständen des Einzelfalls zuverlässig funktioniert. Die Richter stellten fest, dass die als Anlage bei gelegte "Funktionsbeschreibung" des Programms nicht als Gutachten gelten könne. Es handle sich hierbei vielmehr um ein "vom Verwaltungsrat der Anwenderin erstelltes Papier, dass die Qualifikation des Verfassers für derartige Äusserungen offen lasse". Die "Funktionsbeschreibung" umfasste die Netzwerke "Gnutella und EDonkey", hingegen habe die Tathandlung über einen "u-torrent-client" statt gefunden. Es sei daher nicht festzustellen, dass die Funktionsbeschreibung auf für diesen Einzelfall Geltung beanspruchen könne. In der Folge bedeutete das Gericht den Klägerinnen, dass die Erwähnung von Gutachten in anderen ("irgendwelchen") Fällen und Gerichtsvefahren nicht geeignet sei ein Präjudiz zu schaffen oder konkreter Sachvortrag im vorliegenden Fall zu ersetzen sei.

Zum Thema des Bestreitens einer Ermittlung äußerte das Gericht deutlich, dass ein Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO absolut zulässig sei. Die Funktionsweise eines Programmes sei nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung. Der Beklagte habe mangels Offenlegung der Programme auch keine andere Möglichkeit des Bestreitens. Als Bestreitensbasis wurde zudem der Aufsatz von Morgenstern, CR 2011, Seite 203ff zugelassen, dem zu entnehmen sei, das die Zuverlässigkeit der Ermittlungssoftware der L. AG differenziert zu betrachten sei und zudem bekannt gewordene Begutachtungen der Software als technisch unzureichend beurteilt werden. Der Beklagte habe sich hier nicht näher mit Hilfe externen Expertenwissens einzulassen.

En detail führte das Gericht weiter aus,




... womit der Teil - II nun abgeschlossen ist.

Kommentar: Es wäre natürlich wünschenwert gewesen, wenn sich bereits andere Gerichte mit den teils schlampigen, teils gutsherrlichen Vorträgen im Bereich Ermittlung so intensiv beschäftigt hätten.