Donnerstag, 14. April 2011

Musikalische Komödie Leipzig

Das es um die Spielfähigkeit in der arg maroden Musikalischen Komödie in Leipzig nicht gut bestellt ist wußte man schon lange. Zum 07.04.2011 ordnete der Oberbürgermeister Burkhard Jung eine städtische Finanzspritze von 100.000,00€ zwar dringendste Maßnahmen zur Erhaltung der Spielfähigkeit an. Angesichts der durch mich recherchierten Vorfälle bei einer Veranstaltung am 30.03.2011 sind diese Maßnahmen als nicht ausreichend zu bezeichnen.

Landgericht Leipzig, Beschluss vom 30.03.2011, Az.: 05 O 842/11

Sachverhalt

Die Firma U. GmbH mahnte im Januar 2011 über die Rechtsanwaltskanzlei R. einen Internetanschlußinhaber wegen der angeblichen Verbreitung eines Musikwerks der Gruppe A. in einer „Tauschbörse“ ab. Der Abgemahnte reagierte mit anwaltlichem Schreiben und einer modifiziert-erweiterten Unterlassungserklärung. Eine Reaktion erfolgte nicht.

Als er im März 2011 eine erneute Abmahnung des gleichen Typs von Rechtsanwaltskanzlei R. erhielt, die jedoch nun im Namen einer Firma E. GmbH, welche Rechte an einem Titel eines DeutschBlondinenjodelpopwerks geltend machte, verwies der Anschlußinhaber auf die bereits abgegebene Unterlassungserklärung. Die Abmahnung würde ins Leere gehen, da der Abgemahnte bereits eine ausreichende Unterlassung auch gegenüber der Firma R. erklärt habe.

Die Rechtsanwaltskanzlei R. beantragte nun ohne weitere Korrespondenz eine Einstweilige Verfügung.

Beschluss – Antrag

Schon der textbausteingestaltete Antrag beinhaltet in erheblichem Maße als unsubstantiiert zu klassifizierende Punkte. So erläutert der Antrag der Firma E. GmbH, dass eine wirksame Drittunterwerfung nur in Ausnahmefällen in Betracht käme, sprich eine Erklärung gegenüber der Firma U. GmbH gleichzeitig eine Erklärung gegenüber der Firma E. enthalten könne. Dies wäre nur möglich wenn sich beide Firmen innerhalb einer bestimmten Lizenznehmerkette befänden. Eine Rechtsgrundlage oder Urteilsverweise fehlen selbstverständlich.

Der erste „Fehler“ des Vortrags einer gewissen Rechtsanwältin K. ist, dass Sie die zu Grunde zu legende Lizennehmerkette auf das streitgegenständliche Werk setzt. Es hätte die Lizenznehmerkette des Werks der U. GmbH sein müssen. Der zweite „Fehler“ besteht darin das keine rechtliche Grundlage des Behaupteten angegeben wird.* (Ende beachten) Der dritte „Fehler“ besteht darin, dass die Tatsache, die U. GmbH befände sich mit der E. GmbH bezüglich des streitgegenständlichen Werks nicht in einer Lizennehmerkette nicht glaubhaft gemacht wird (Zeugenbeweis – Eidesstattliche Versicherung). Somit bleibt der Vortrag insgesamt eine persönliche Meinung der Rechtsanwältin K, die auch noch den vierten "Fehler" in sich trägt, dass … die Meinungsäußerung falsch ist (Tip des Tages: Hanseatisches OLG, Urteil vom 23.07.2008, Az.: 5 U 159/06). Tatsächlich steht die U. GmbH bezüglich des streitgegenständlichen Werks schon Kraft des Urheberpersönlichkeitsrechts in einer Lizennehmerkette mit der E. GmbH.

Eine richterliche Äußerung zu diesem Thema erfolgte nicht.

Der Beschluss

Der Beschlusstenor richtet sich ausschließlich an eine täterschaftliche Handlung. Dem Antragsgegner wird verboten das streitgegenständliche Werk „auf einem Computer für den Abruf für andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereit zu stellen...“.

Dies wirft die Frage auf mit welcher Begründung der beantragte Tenor von den bekannten Wortlauten der Orginal-Unterlassungserklärung abweicht. Wie später dargelegt handelt es sich hier um eine anwaltsübliche Begründung per Weglassen von Dokumenten. Der Antrag selbst stellt sich als unschlüssig dar (OLG Köln, Beschluss vom 24.03.2011, Az.: 6 W 42/11)

Man könnte nämlich meinen, der Antragsgegner habe über seinen Rechtsanwalt die Tathandlung zugegeben. Dem ist jedoch nicht so.

Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen...“ (BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08)

Als sekundäre Darlegungslast wird die Last einer Gegenpartei bezeichnet, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen Partei zu äußern.“ (Kleines 1x1)

Das Landgericht Leipzig führt in Anlehnung an das BGH-Urteil aus, dass der Abgemahnte in der Ablehnung der zweiten Abmahnung sich nicht zu dem Tatvorwurf geäußert habe. Daher sei eine tatsächliche Vermutung gegeben, er selbst sei der Täter.

Nach dem Landgericht Leipzig dehnt sich also eine prozessuale Erklärungspflicht dann auf eine außergerichtliche Abmahnung aus, wenn … wenn … wenn... ja es fehlt leider an einer Erklärung. . Die Richter ignorieren dabei den gesetzlichen Wortlaut des § 97a UrhG, der die Abmahnung erkennbar vor die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens stellt.

Mit dieser rechtsfehlerhaften Meinung spart man sich komplizierte Erläuterungen über die Frage zu welchen Angaben ein Abgemahnter nun tatsächlich verpflichtet ist. Trägt der Abgemahnte jedoch wie im Streitfall der Antragstellerin begründet vor, dass er der Ansicht sei bereits die Abmahnung sei unbegründet und damit sei ein Anspruch auf Unterlassung nicht gegeben hat er bereits seinen ihm prozessual obliegenden Erklärungspflichten zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen Partei genügt. Ob er dann Recht hat oder nicht sei dahin gestellt.

Eine wie auch immer geartete Erklärungspflicht eines Abgemahnten in einer Antwort an eine Abmahnkanzlei ist durch das Schuldverhältniss nicht begründbar. Dies allein schon da es ausreicht den Unterlassungsanspruch ohne ein „Schuldeingeständnis“ über die Abgabe einer „normalen modUE“ zu erfüllen (also einer Erklärung die den Unterlassungsschuldner nicht zwingt darzulegen, ob er Täter, Teilnehmer oder Störer oder keines von Allen sei). Gerade aus dem Unterlassungsanspruch können nach dessen keine weiteren Ansprüche abgeleitet werden. Der Auskunftsanspruch ist als eigenständiger Anspruch im § 97 UrhG, Abs. 1 ausgewiesen.

Hier ist von Bedeutung für den Rechtsstreit am Landgericht Leipzig, dass der Unterlassungsschuldner bezüglich der abgegebenen „erweiterten“ Erklärung keinerlei Rückantwort bekam. Damit sind für ihn auch keine Einwendungen gegenüber den Formulierungen der Unterlassungserklärungen erkennbar. Die richterliche Denkweise, die in der Übernahme der Argumente aus dem Antrag auf Einstweilige Verfügung besteht vergißt das diese Argumente bereits bis zu 6 Wochen zuvor hätten geäußert werden können.

Das die Bearbeiterin der Abmahnung 1 + 2 und des Antrags die gleiche Person darstellte ist insofern auch wichtig, da es durchaus ein Dokument gab in dem ausreichend Zweifel bezüglich der eigenen Täterschaft geäußert wurde. Der Antragsgegner ließ per Anwaltsschreiben mitteilen, dass er die angebliche Rechtsverletzung nicht zuordnen könne. Danebst forderte er zusätzliche Unterlagen an, die leider niemals eingetroffen sind. Die Leipziger Richter konnten nun nicht über die Wirkung dieser Äußerung entscheiden, da Ihnen das Dokument nicht vorgelgt wurde und sie es auch nicht als erheblich empfanden, obwohl sie in Kentnnis der Existenz einer solchen Äußerung waren.

Die maßgeblichste fehelerhafte Rechtsanwendung besteht jedoch im Punkt, dass die Leipziger Richter entgegen dem § 131 BGB („Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“) den wirklichen Willen überhaupt nicht erforschten und eine Auslegung daher nicht mal im Ansatz erkennbar ist. Man erforschte nur den wirklichen Willen des Antragsstellers.

Man gestattete sich hierbei schlicht die Übernahme der hanebüchenen Kommentare der Rechtsanwältin K.. Diese behauptet uA im Antrag vom 29.03.2011 allen Ernstes, dass zum Eingang der Erklärung des Antragsgegners gegenüber der U. GmbH Anfang Februar 2011 eine Mandatierung der E. GmbH bezüglich des Antragsgegners nicht vorgelegen habe. Man habe erst am 07.03.2011 als mandatierte Rechtsanwälte der E. GmbH im Auskunftsverfahren von der Person Kenntnis erlangt, zum Zeitpunkt des Antrags auf Auskunft habe daher kein Mandatsverhältnis mit der E. GmbH bestanden und daher habe man auch zum Eingang der Erklärung kein Empfangsberechtigungsmandat für die E. GmbH besessen.

Zum Beweis der These die E. GmbH stelle jeweils pro Abgemahnter gesonderte Mandatierungen (so in etwa 400 Stück pro Woche) nach Kentnniserlangung des Realnamens aus legte die Rechtsanwältin K. ….

…. man kann es sich denken …. überhaupt keine Vollmacht der E. GmbH vor.

Es wäre auch sinnlos so etwas zu fordern, da nicht ganz so musikindustriegutgläubige Richter sich der Vernehmung der Zeugen R. Und S. erinnern könnten, die am Landgericht Köln statt fand und eindeutige Aussagen zu dem Thema der "entpersonalisierten" Mandatierung in sich trägt. Ein vollständig unbelegter Sachvortrag hätte auch so schon zur sofortigen Zurückweisung geführt.

Es spielt da schon keine Rolle mehr das man zum Thema der Unbestimmtheit der abgegebenen Erklärung viele Worte fand, jedoch zu den unbestimmten Orginal-UEs ("total alles mögliche an Musikrepertoire") nichts zu sagen hatte. Wie es eine Firma U. GmbH schaffen soll in mitten von 300 000 Lizenznehmerketten, die insgesamt 7 Millionen Lizenkettenteilnehmer betreffen jeden einzelnen im "total alles mögliche an Musikrepertoire" in eine Orginal-UE unterzubringen fragt man sich aber schon.

Der Antragsgegner wurde gerügt er habe die E. GmbH nicht namentlich benannt. Hätte er die namentlich nicht ausgestattete Orginal-UE unterzeichnet wäre nach Ansicht der Richter alles in Ordnung gewesen.

* Rechtsanwältin K. operierte hier mit dem bekannten Schricker/Wild-Kommentar (siehe zb. LG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2010, Az.: 12 O 51/10) Sowohl die Meinung, der Kommentar, als auch das Urteil sind ungenügend als Verweis auf die Situation der Antragstellerin. Warum sieht man hier. Es ist in der heutigen Sampler-Verwertungswelt nicht möglich eine Erklärung gegenüber einem Rechteinhaber der Klasse U. GmbH ohne Drittunterwerfung abzugeben, da in jedem Fall und für jeden noch so schlechten Titel die Möglichkeit besteht er könnte dereinst auf einem Werk erscheinen an dem der Rechteinhaber der Klasse E. GmbH Rechte hält. Die Unterlassung wird nicht auf ein Datum, sondern für die Zukunft erklärt. Sie ist auf künftige und künftig mögliche Lizennehmerketten ausgerichtet, genauso wie der Unterlassungsgläubiger wünscht die Erklärung für sämtlich relevante künftige Nutzungen eine Wiederholung ausgeschlossen wird.

Die Richter in Leipzig aber stellten darauf ab, dass der Antragsgegner erst der Mit-Unterlassungsgläubigerin namentlich bekannt sein muß und ihr eine (Kopie der) Erklärung zugehen muß damit eine Unterlassung wirksam werden kann. Dies ist vollständig rechtsfremd, da ein Anspruch nicht dann entsteht wenn der Geschädigte davon mitgeteilt bekommt, sondern in dem Moment der Rechtsverletzung entsteht. Die "Wahl des Versprechensempfängers" kann nicht ernsthaft und auch nicht einseitig dem Unterlassungsschuldner überlassen werden, da er nur über die Vorlage der speziellen aktuellen Verträge diese erkennen kann, was andererseits den Unterlassungsgläubigern nicht recht sein dürfte. Aus einer "normalen" modUE würde im jeweiligen Fall ein Dokument von Bibelstärke, konkrete Abmahnungen ebenso und allein die Prüfdauer einer "richtigen" Drittunterwerfung benötigte das dreifache an Anwaltsstärke wie man sie in Deutschland aktuell hat.

Da im vorliegenden Fall jedoch überhaupt keine Prüfung der nicht belegten Angaben zum Thema der Lizennehmerketten statt fand ist diese theoretische Betrachtung eigentlich sinnlos.

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