Donnerstag, 20. Mai 2010

BGH, Urteil v. 29.04.2010, Az.: I ZR 69/08

Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung vom 08.02.2010 und dem Bericht über die mündliche Verhandlung vom 15.03.2010 am Amtsgericht Köln erläutert birgt die rechtliche Situation im Einzelfall (AG Köln - AZ.: 125 C 602/09) und in der Gesamtsituation sämtlicher Abmahnungen (fünstelliger Bereich) des aus Funk und Fernsehen bekannten "Künstlers" Matthew Tasa einigen Zündstoff.

Betroffen sind die Werke
-- Dream Dance Alliance (D.D. Alliance): Never Alone
von den Tonträgern Dream Dance Vol. 52, Future Trance Vol. 49, Sunshine Live Vol. 31
-- Dream Dance Alliance (D.D. Alliance): Time Out
von den Tonträgern Club Sounds Vol. 49, Tunnel Trance Force Vol. 49 bzw. Sunshine Live Vol. 30
-- Dream Dance Alliance (D.D. Alliance): When I Listen To Music
von den Tonträgern Future Trance Vol. 47, Club Sounds Vol. 48, Dream Dance Vol. 50 bzw. Sunshine Life Vol. 29

Wie berichtet wurde am 15.03.2010 durch den vorsitzenden Richter geäußert, dass er eine täterschaftliche Haftung aufgrund einer Äußerung des Beklagten in einem einschlägig bekannten Internetforum, in dem es zu dem Zeitpunkt der Äußerung von Abmahnanw... ähm... Filesharern wimmelte nicht ausschließen könne. Dies würde natürlich bedeuten, dass eine noch zu bestimmende Schadensersatzsumme dem Beklagten bei einem negativen Urteil aufzuerlegen wäre.

Dagegen äußerte dieser blog frühzeitig, das in keinem Fall (der sämtlichen Abmahnungen) ein Schadensersatz zu leisten wäre, da die Musikgruppe selbst entgegen den Aussagen des Klägers die in Form einer eidesstattlichen Versicherung getätigt wurden sämtliche der abgemahnten Titel jeweils vor dem Abgabedatum der eidesstattlichen Versicherung ohne jegliche Verwendungseinschränkung auf dem You-Tube-Channel der Musikgruppe kostenfrei angeboten hatte und dies auch munter weiter tut, wie dieser link zeigt.

Nun vermeint dieser blog in der eigentlich themenfremden Entscheidung des BGH zum Thema der "google-Suchmaschienenbilder" vom 29.04.2010 eine höchstrichterliche Bestätigung gefunden zu haben.

"aa) Ein entsprechendes Nutzungsrecht hat die Klägerin der Beklagten nicht ausdrücklich eingeräumt. Das Recht, ein Werk auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG), kann einem Dritten allerdings auch durch eine konkludente Erklärung des Urhebers eingeräumt werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1970 - I ZR 50/69, GRUR 1971, 362, 363 - Kandinsky II, m.w.N.). Da die (ausdrückliche oder konkludente) Überlassung eines urheberrechtlichen (einfachen oder ausschließlichen) Nutzungsrechts dinglichen Charakter hat (vgl. BGHZ 180, 344 Tz. 20 - Reifen Progressiv, m.w.N.), muss die (konkludente) Willenserklärung, mit der der Urheber einem Dritten ein Nutzungsrecht einräumt, den Anforderungen an (dingliche) Verfügungen über Rechte genügen. Die betreffende Willenserklärung setzt demnach insbesondere voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, der Erklärende wolle über sein Urheberrecht in der Weise verfügen, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräume (vgl. BGH GRUR 1971, 362, 363 - Kandinsky II, m.w.N.)." [...] "Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2007 - I ZR 94/05, GRUR 2008, 245 Tz. 27 = WRP 2008, 367 - Drucker und Plotter)." [Volltext]

Dies erfolgt bei den You-Tube-Channeln wie folgt:
10. Rechte, die Sie einräumen

"10.1 Indem Sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen Sie

1. YouTube eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein (mit dem Recht der Unterlizenzierung) bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Nutzerübermittlung im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Dienste und anderweitig im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und YouTubes Geschäften, einschließlich, aber ohne Beschränkung auf Werbung für und den Weitervertrieb der ganzen oder von Teilen der Webseite (und auf ihr basierender derivativer Werke) in gleich welchem Medienformat und gleich über welche Verbreitungswege;
2. jedem Nutzer der Webseite eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein bezüglich des Zugangs zu Ihren Nutzerübermittlungen über die Webseite sowie bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung solcher Nutzerübermittlung in dem durch die Funktionalität der Webseite und nach diesen Bestimmungen erlaubten Umfang.
"

Es ist hier eben nicht die Frage, ob derjenige welcher (im Fall des Beispielmachwerks) einem Dritten eine unbegrenzte weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz und aktuell 941.000 Fakt-Nutzern eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz einräumte auch eine nicht vorgesehene Nutzungsrechteart, nämlich die der Verbreitung in p2p-Tauschbörsen erlaubt habe. Die Frage ist überaus geklärt, denn er muß zumindest "mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen" und insofern Vorsorge treffen, wie dies exemplarisch ein weiterer Abmahnkünstler auf seinem YouTube-Channel beispielhaft vorzeigt wenn Nutzungshandlungen durch den "gebührenfreien Charakter" der Veröffentlichung geradezu heraus gefordert werden. Im Beispiel der Restriktion kann jedoch jedem 12-jährigen klar sein, dass die Nutzung eindeutig beschränkt ist, auch wenn in diesem Fall die Einschränkung albern anmutet, da sie den Nutzungsbestimmungen von You Tube gleichermaßen widerspricht der man zugestimmt hat. Selbstverständlich ist im Rahmen der vorgesehenen Verbreitungsmechanismen "making available" erlaubt.

Deutlich erkennbar ist aber das auch nach der Betrachtung des neuen BGH-Urteils die Gesamtumstände eindeutig eine wie auch immer geartete Schadesersatzforderung basierend auf nicht unbedingt sehr korrekten Angaben vollständig undenkbar ist.

Mittwoch, 19. Mai 2010

BGH - Urteil v. 12.05.2010 - AZ I ZR 121/08 - Vol I

"Auch wenn ich die Entscheidung des BGH in rechtsdogmatischer Hinsicht für zweifelhaft halte, gibt es für diejenigen, die die Filesharing-Abmahnung zum Geschäftsmodell ausgebaut haben, keinen Grund zum Jubeln. Denn so wie bisher wird es vermutlich nicht weiter gehen. Bei den One-Song-Abmahnungen wie sie zum Beispiel von den Kanzleien Kornmeier oder Nümann & Lang zumeist versandt werden, kann in Zukunft regelmäßig wohl kein Schadensersatz mehr und nur noch EUR 100,- Abmahnkosten verlangt werden." (Rechtsanwalt Thomas Stadler, Freising)

Auf vielfache Nachfrage möchte ich in meinem ersten Kommentar zum Urteil des Bundesgerichtshofs - "Herbst unserer Abmahnerexistenz" - auf das Thema der 100€-Decklung nach § 97a UrhG, Abs. 2 eingehen. Selbstverständlich kann dieser Text nicht die kommenden Erläuterungen des BGH zum Thema ersetzen.

Zur Frage der "unerheblichen Rechtsverletzung" und welche Werkarten denn nun genau damit gemeint sein könnten weise ich heute nochmal ausdrücklich auf den Sachverhalt im Verfahren vor dem BGH hin. Für die propagansdistischen Elemente möchte ich mich (nicht wirklich) entschuldigen.

Die Klägerin, eine bekannte Gemeinschaft aus Abmahnkünstlern machte im landgerichtlichen Verfahren die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte eines Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG erfolgreich geltend. (vgl. LG Frankfurt, Urteil v. 05.10.2007, Az. 2-3 O 19/07) Dies jedoch nur an einem Musikwerk namens "Herbst unserer Abmahnerexistenz" (oder so ähnlich) eines unbekannten Abmahnkünstlers.

Sehr viele rechtsanwaltliche Personen beziehen vorsichtshalber nun den BGH-Spruch zur 100€-Deckelung auf sog. "One-Song-Abmahnungen"/"Sampler-Abmahnungen", wenn also die urheberrechtliche Abmahnung nur die Rechte an einem Musiktitel geltend macht. Dies ist auch vollständig richtig, denn man muß stets den vollen Urteilstext eines BGh-Urteils abwarten und hernach intensiv analysieren um Aussagen die nicht offensichtlich aus den Pressemitteilungen hervorgehen tätigen zu können.

Dennoch muß ich an dieser Stelle auf den Fakt verweisen, dass die Klägerin im BGH-Fall nicht etwa die rechtswidrige Verbreitung eines einzelnen Musikwerkes fest gestellt hat. Sie veranlasste die Überwachung des streitgegenständlichen Tonträgers. Faktisch bezieht sich daher auch richtigerweise der Unterlassungstenor im landgerichtlichen Urteil nicht etwa nur auf einen Musiktitel, sondern auf insgesamt 15 Musiktitel, die sich allein durch die Beinamen unterscheiden und sogenannte Remixe darstellen. Daher muß ich an dieser Stelle auch mit dem gebührenden Respekt und begründet die Pressemitteilung des BGH unter Kritik stellen: "Mit Hilfe der Staatsanwaltschaft wurde ermittelt, dass dieser Titel vom Internetanschluss des Beklagten aus auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten worden war.". Es handelte sich eindeutig um ein komplettes Musikalbum.

Zum Beleg lese man den veröffentlichten und nicht geschwärzten Beschluß LG Frankfurt, Beschluß v. 23.02.2007, Az. 2/3 O 88/07 und das sehr aktuelle Urteil des AG Frankfurt vom 16.04.2010, Az. 30 C 562/07 - 47.

Samstag, 1. Mai 2010

Abmahnen für Anfänger - Teil 17

... oder wenn zwei sich streiten freut sich der Abgemahnte.

Anfang März überschnitten sich zwei auf den ersten Blick zwei "vollkommen normale" Ereignsisse. Es wurde vermeldet, dass eine gewisse "Rechtsanwalts"Kanzlei Schulenberg & Schenk aus Hamburg im Auftrag der "Video-Aktuell Betriebs GmbH, Montabaur" den Porno / Erotikfilm Fette Euter & saftige Mösen wegen Urheberrechtsverletzung in einer Internettauschbörse für nur 1298,00€ abmahnt. Zeitgleich erschien die
"Rechtsanwalts"Kanzlei Negele, Zimmel, Greuter, Beller, Augsburg und machte im Namen der Firma "SINS FACTORY Srl aus Rimini" einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen des angeblich widerrechtlichen Downloads bzw. Uploads des urheberrechtlich geschützten Filmwerkes - „Semplicemente Roberta - Roberta Gemma“ gelten. Die Kollegen von Schulenberg - Schenk wollen jedoch nur 705,00€.

Die "Rechtsanwalts"Kanzlei Negele ist jedoch so freundlich uns mitzuteilen, welcher Dateiname der Verletzung zu Grunde liegt. Nach umfangreichen Recherchen kann jedoch nun bestätigt werden, dass es sich um die gleiche Datei handelt.

Es war nur eine Frage der Zeit bis mehrere Personen auftauchten die von ... beiden Kanzleien eine Abmahnung erhielten.

Nun stellt sich natürlich die Frage nach den ermittlerischen Fähigkeiten der beauftragten Rechteverfolgungsfirmen. Beide Kanzleien treten nämlich vor Gericht mit dem gleichen Anspruch auf, dass eben jene Rechteverfolgungsfirmen überprüft hätten (Sehvergleich?) welches Werk in der Datei steckt und auch die Funktionsfähigkeit wird angeblich überprüft.

Nur einer hat hier jedoch Recht. Mal sehen was Personen die sich mit sowas auskennen dazu sagen. (Siehe Folgeveröffentlichung)

Mein Tipp wenns um die Frage von eidesstattlichen Versicherungen geht.... "Herr Richter! Ich konnte angesischts der Darstellungskünste von Roberta Gemma keinen wesentlichen Unterschied in der Sprache erkennen! Ich war geblendet von "Fetten Eutern"!"

Gemma I

Gemma II

Richtig. Der gleiche Film (natürlich kann es sich jedoch nur um die italienische oder deutsche Fassung handeln) wobei die Copyrigthangabe hier zu beachten ist.