Freitag, 3. Dezember 2010

Logistep III - Das Urteil aus der Schweiz - online

Heute wurden die Schweizer Logistep-Urteile veröffentlicht

1C_285/2009 vom 08.09.2010

und die 295

Erste Kommentierung von David Vasella.

Kommentierung von RA Sebastian Dosch.

Kommentierung von Shual: Das Urteil gegen die Logistep ist in zwei wesentliche Bereiche unterteilt. RA Sebastian Dosch behandelt bereits ausreichend die tatsächlich erfrischend logisch vorgetragenen Ansichten zum Thema ob eine IP-Adresse nun ein personenbezogenes Datum darstellt oder nicht. Eine Gegenüberstellung der Argumente zum BGH-Urteil "Herbst unserer Abmahnerexistenz" vom 12.05.2010 dauert für heute zu lange. Ein maßgeblicher Punkt als Beispiel.

"Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nicht vorausgesetzt ist, dass die Urheberrechtsverletzer bereits für die Beschwerdegegnerin bestimmbar sind. Vielmehr genügt es, wenn sie es nach Übergabe der entsprechenden Daten für die Urheberrechteinhaber werden." vs "Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt + Die Zuordnung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber enthält keine Aussage darüber, mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat."

Die deutschen Richter versuchen sich über das Vehikel der Störerhaftung dem Thema zu nähern, in dem sie erklären das die von Tauschbörsenermittlungsfirmen fest gestellte Tathandlung nicht einen Verletzer, sondern eine Verletzung durch "jemanden" darstellt. Hier liegt natürlich ein logisches Problem vor, denn es "spricht ... eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist." Der Anschlußinhaber sei daher gehalten sich entsprechend der sekundären Darlegungslast zu der Verletzung zu äußern. Kann er dies nicht ist er als Täter zu qualifizieren. Die Schweizer Richter hingegen sehen schon ("Wohl ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen der Urheberrechtsverletzer nicht ausfindig gemacht werden kann, so insbesondere dann, wenn verschiedene Personen zu einem Computer oder einem Netzwerk Zugang haben. Es ist jedoch ausreichend, dass die Bestimmbarkeit in Bezug auf einen Teil der von der Beschwerdegegnerin gespeicherten Informationen gegeben ist.") durch die Möglichkeit eines Teils der insgesamt ermittelten Daten einen Verletzer zu identifizieren einen ausreichenden Bezug zu datenschutzrechtlichen Belangen der Verletzer.

Von großem Interesse wird damit der Bereich: "Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin schliesse zudem aus, dass dem IP-Adressinhaber im Moment der Beschaffung mitgeteilt werde, wozu seine Daten gespeichert würden. Selbst wenn es zutreffe, dass vereinzelt darauf aufmerksam gemacht werde, dass "Anti-P2P-Firmen Daten loggen", könne keineswegs von einer Angabe des Datenbeschaffungszwecks durch die Bearbeiterin gesprochen werden. Sowohl der Grundsatz der Zweckbindung wie auch der Grundsatz der Erkennbarkeit würden damit regelmässig verletzt." Die Schweizer Gerichte sehen also auch den deutschen § 28 BDSG, Abs. 1 verletzt. Das Thema der Erkennbarkeit der Ermittlung ist ebenso sehr spannend. Natürlich wird nicht ausgeführt wie sich eine Ermittlungsfirma im Internet zu erkennen geben muß. Es dürfte aber klar sein, das die anonymisierte Datenerhebung zu gewerblichen Zwecken mit dem Zweck der Rechtsverfolgung kollidiert. Würde eine Ermittlerfirma zweckgebunden und erkennbar auftreten gäbs wohl keine Verletzer der so dumm wäre eine Rechtsverletzung von sich aus zu begehen (obwohl die Dummen nie aussterben werden und vielfältig über nicht geschützte W-LANe operiert wird was die Hemmschwelle senkt).

Tatsächlich ist das Operieren als "Verdeckte Ermittlung" immer nur unter besonderen Vorraussetzungen möglich, wenn es zum Beispiel um schwere Straftaten geht. Es ist dabei auch unter Schutzmaßnahmen und aktiver Ermittlung zu unterscheiden. Das deutsche BGH-Urteil (anders als in den lächerlichen Pressemitteilungen der Logistep AG dargestellt) beschäftigt sich keines wegs mit den Ermittern, sondern mit der Verwertung der Daten in Auskunftsverfahren. Dabei spielt es auch keine Rolle ob man nun die IP-Adresse als Bestandsdatum oder Verkehrsdatum sieht.

Es ist jedoch fest zu halten, dass "Es ... Sache des Gesetzgebers und nicht des Richters ist, die allenfalls notwendigen Massnahmen zu treffen, um einen den neuen Technologien entsprechenden Urheberrechtsschutz zu gewährleisten." Der deutsche BGH erkennt hier den Willen des Gesetzgebers zur Verfolgung von Rechtsverletzungen. Allerdings fehlen die wiederum von den Schweizern eingeforderten klaren Aussagen der Logistep AG zu der tatsächlichen Verwertung der Datenmengen und gesetzliche Schranken. Wir kennen das Phänomen des Mißbrauchs der ermittelten Daten zur Genüge. Es äußert sich in Absurdforderungen, dem "Samplerabmahnungen"-Themenkreis, den vielfältigen Pannen der Ermittler und der beauskunftenden Stellen, schwerwiegenden prozessualen Fehlern der Anwaltskanzleien, grundsätzlichen Bedenken zum eigentlichen Beweiswert eines "Loggerbudenfreßzettels", der regelmäßig schwere Fehler in sich birgt, einer fehlenden Rechtsverfolgung nach Abmahnung die angesichts der Masse an mittlerweile 1,2Mio Abmahnungen überhaupt nicht zu organisieren ist und natürlich den vielfältigen Problemen die bei der Rechteübertragung oder gar Aktivlegitimation, also der eigentlichen Befugnis abmahnen zu können beginnen.

Der Wille des Gesetzgebers war es ein grandioses Chaos in dem noch die dubiosesten Forderungen unterstützt werden zu schaffen?

Nun zum wichtigsten Punkt des Urteils.

"Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar."

"Im Übrigen zeitigt eine derartige (gegebenenfalls richterlich bestätigte) Empfehlung eine indirekte Wirkung für all jene Personen, die nach einer ähnlichen Methode vorgehen wie die Beschwerdeführerin,..."

Diese endgültige Qualifizierung der Ermittlung selbst als Persönlichkeitsrechtsverletzung hat weitreichende Folgen. Neben den vorhandenen Auskunftsrechten ist zu prüfen in wie weit eine Sperrung der Weitergabe, eine Löschung und eine mit der Persönlichkeitsretzverletzung einhergehden Schädigung gerichtlich durchgesetzt werden kann. Freiwillig wird die Logistep AG keinen Abgemahnten für die Persönlichkeitsrechtsverletzung entschädigen. Weitere Ansprüche kann man sich jedoch nicht vorstellen. [vgl. Urteil vom 09.09.2010, Obergericht des Kanton Zug (Az. JS 2010 44 und JS 2010 45)]

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Logistep II - Bundesverfassungsgericht 2 BvR 2101/09

Das Bundesverfassungsgericht teilte gestern mit, dass die Verfassungsbeschwerde zu der Verwendbarkeit der Lichtensteiner Steuerdaten nicht zur Entscheidung angenommen wird. So wird es auch keine ausführliche Urteilsanalyse geben können.

Zum Themenbereich "Logistep" äußert sich das Bundesverfassungsgericht wie folgt: "Des weiteren sind Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene
Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von
vornherein nicht berücksichtigt werden müssen
." Allerdings: "die unmittelbare Geltung eines Beweisverwertungsverbotes, [...] betrifft grundsätzlich lediglich die unmittelbare Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln im Strafverfahren zur Feststellung der Schuldfrage."

Damit sind wir so schlau wie zuvor. Die strafrechtliche Verurteilung darf nicht ausschließlich auf dem rechtswidrig erlangten Beweismittel beruhen.

In wie fern durch den Ablauf das der Verletzte eine rechtswidrig operierende Firma beauftragte um in der Folge über einen Rechtsanwalt Akteneinsicht zu nehmen um Anschlußinhaberdaten abzuschöpfen muß erneut gerichtlich geklärt werden.

In jedem Fall sind Betroffene aufgerufen die Schweizer Rechtslage (vor allem im Verlustfall zu prüfen) und den Volltext des Urteils abzuwarten. In wie fern daraus Schadensersatzansprüche ableitbar sind wird man suchen zu klären.