Freitag, 19. November 2010

OLG Hamburg 5 W 126/10 - "Logistep-I"

Mit dem OLG Hamburg hat sich mutmaßlich das erste deutsche Gericht mit der Frage auseinander gesetzt wie die rechtswidrig erlangten Daten der Logistep AG auf deutschem Boden zu werten seien. Daneben sind einige Äußerungen des Gerichts als brisant zu werten.

[Volltext]

Sachverhalt
Die Logistep AG hatte an drei aufeinander folgenden Tagen rechtswidrig ermittelt, dass angeblich über einen Internetanschluß einer Person ein Computerspiel einer mittlerweile insolventen Firma angeboten wurde. Im weiteren Verlauf wurde der Anschlußinhaber abgemahnt und auf Unterlassung, Übernahme der Rechtsanwaltskosten und Schadensersatz verklagt und stellte einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe. Dieser Antrag wurde durch das Landgericht Hamburg abgelehnt. Das OLG wies die Beschwerde nun zurück.

Entscheidung - Beweislast
Die mehr als schlampig ausgeführte Begründung zum Thema Beweislast muß erläutert werden. In den PKH-Verfahren ist eine gewisse Beweisantizipation möglich: "Eine Beweisantizipation ist erlaubt, wenn die Gesamtwürdigung aller schon fest stehender Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung als ausgeschlossen erscheinen läßt und wenn eine vernünftige und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müßte, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozeßführung absehen würde." [vgl. Nürnberger PKH-Beschluss]. Das OLG behauptet im Beschluss hingegen das Landgericht Hamburg habe sich eingehend mit den Argumenten des Beklagten auseinander gesetzt. Dem ist erkennbar nicht so, denn die Forderung des Beklagten nach Prüfung sämtlicher der durch die Logistep ermittelten Daten wurde ignoriert. Das OLG stellt darauf ab es genüge ein Hashwertidentifikationsverfahren nebst Eidesstattlicher Versicherung. Danebst erkannte es im Mehrfacherkennen einer Rechtsverletzung ein starkes Indiz für eine unerlaubte Tathandlung. Der Beklagte habe zudem eingeräumt es könnten sich "Dateifragmente" des Spiels auf seinem Rechner befunden haben. Man hat hier -ohne es beim Namen zu nennen- eine recht eigenwillige Beweisantizipation wirken lassen.

Der wunde Punkt an dieser Stelle ist, dass nach weitläufiger Ansicht die Logistep AG durch den Beschluss des Obersten Schweizer Gerichtshofs gespeicherte Datenmengen löschen muß. Der Volltext des Urteils liegt jedoch noch nicht vor. Insofern kann auch die Logistep AG nicht mehr die vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen und auch nicht ein Hashwert-Identifikationsverfahren nebst "Timestamp-Fresszettel" belgen, meine Herren Oberrichter aus Hamburg. Man hat diesen Punkt bereits ausführlich diskutiert: Es steht dem Abgemahnten die über die Logistep AG ermittelt wurden die Verwertung der Daten über ein entsprechendes Begehren in der Schweiz verbieten zu lassen. Gerade Beklagten ist dies anzuraten, denn die Verwendung geht einher mit einer entsprechenden eigenen Schadensersatzforderung gegen die Logistep AG. (Populärbeispiel: Jeder Einbrecher weiß, dass er Schmerzensgeld vom Opfer bekommt, wenn er während des Einbruchs vom Hund des Opfers gebissen wurde. Bei Filesharing-Abgemahnten dauert diese Erkenntniss ... scheinbar etwas länger.)

Die Entscheidung kann sich also ausschließlich auf die Indizien, die der Abgemahnte selbst beigetragen hat (oder eher nicht beigetragen) stützen. Damit wäre sie zum mindest rechtlich einwandfrei. Nach den Angaben im Beschluss hat der Anschlußinhaber die Tat weder substantiiert bestritten noch genauer dargelegt wie er sich zum Tatvorwurf stellt.

Entscheidung - Beweisverwertungsverbot
Natürlich ist auch hier zu kritisieren, dass die Beklagtenseite ohne erkennbare Prüfung ins Blaue hinein mit einem Beweisverwertungsverbot hantiert hat. Zudem ist der Fall sowieso ungeeignet, da eine hier Ablehnung der Beschwerde auf den weiteren Beweismitteln (Eigenaussagen) in jedem Fall wahrscheinlich gewesen wäre.

Allerdings ist auch der Beschluss des OLG Hamburg von gleicher Qualität. Das OLG stellt darauf ab, dass die Ermittlungsarbeit der Logistep AG durch den BGH mit Urteil vom 12.05.2010 geadelt worden sei. Dies ist alleine schon eine ordentliche Sauerei, da die Tathandlung aus dem BGH-Urteil um 2,5 Jahre vor den angeblichen Logs im Hamburger Verfahren liegt. Genauso gut hätte man argumentieren können das die vielfältigen Klagerücknahmen und Fehlereingeständnisse aus dieser Zeit [vgl. Easy2Sync-Affaire) die Logistep entadelt hätten.

Daneben haben die Hamburger Richter das BGH-Urteil nicht gelesen. Der BGH beschäftigt sich im Bereich des Beweisverwertungsverbots ausdrücklich nur mit der Frage, ob ein Richtervorbehalt in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahren greift. Dieser Entscheid betrifft ausschließlich den Auskunftsbereich dort und nicht etwa im zivilrechtlichen Auskunftsverfahren.

Dort aber ist die Beauskunftung an die "Massgabe der Offensichtlickeit der Rechtsverletzung" gebunden. Die Offensichtlichkeit einer Rechtsverletzung kann aber nur dann hergestellt werden, wenn "die Antragstellerin [] dargeleg[t],
- dass die von ihr zum Auffinden der Rechtsverletzungen eingesetzte Software zuverlässig arbeitet,
- die Parameter der aufzufindenden Dateien zutreffend ermittelt worden sind,
- die Software ordnungsgemäß in Betrieb gesetzt worden ist
" Dies alles ist der Logistep AG nicht möglich, es sei denn sie verstöße ... erneut ... gegen Schweizer Recht. Zudem sind scheinbar dem Oberlandesgericht in Hamburg die neueren Entwicklungen zu dem Thema der "One-Second-Logger" gänzlich unbekannt.

Fehlender Personenbezug
Abschließend verdeutlicht das OLG Hamburg dieses mal ganz für sich alleine die interessante Ansicht man könne aus einer IP-Adresse keinen Personenbezug herstellen. Es wird also nicht etwa eine Einschätzung zur "Bestands/Verkehrsdatenthematik" vorgenommen, sondern sich auf die Nichtanwendbarkeit der Datenschutzvorschriften gestüzt, denn Datenschutzvorschriften sind nur anwendbar, wenn personenbezogene Daten vorliegen.

Im oberen Verlauf stützt jedoch das gleiche Gericht sich auf die Entscheidung des BGH vom 12.05.2010. Man sieht in diesem Fall auf Basis der Ermittlungsdaten eine tatsächliche Vermutung greifen, dass der Anschlußinhaber selbst die Tathandlung begangen habe.

Man kann also zwar bei dem Betrachten einer Tathandlung und einer IP-Adresse einen Personenbezug entwickeln in dem man die tatsächliche Vermutung haben darf der namentlich unbekannte Anschlußinhaber sei der Täter. Da der Anschlußinhaber jedoch namentlich nicht bekannt ist tritt gleichzeitig in Kraft das kein Personenbezug zu dem Anschlußinhaber vorhanden ist.

Fazit

Der Entscheid ist im Ergebniss richtig. Man kann nicht "andeuten" man könne es gewesen sein und dann erwarten man erhielte für eine Verteidigung Staatsgelder. Die Begründung ist in den restlichen Bereichen schwankend zwischen unlogisch bis abenteuerlich und dürfte kaum Bestand haben.

PS: Selbstverständlich bewirbt die Logistep AG diesen denklogischen Schrotthaufen auch noch, wobei sich gewisse Anwälte zu Despektierlichkeiten gegenüber den Schweizer Oberrichtern hinreissen läßt. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Mitbürger ausdrücklich entschuldigen. Die Entgleisung eines Einzelnen ist nicht die Meinung der Mehrheit der Deutschen.

1 Kommentar:

  1. Hier steht ein zensierter anonymer Beitrag einer identifizierten IP-Adresse.

    "Getroffene Hunde...."

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