Freitag, 15. Oktober 2010

Über den Beweiswert eines "One-Second-Logs"

Vorwort

Der heutige Beitrag stellt eine Vorabmeldung dar, die sowohl das jüngste Ereigniss zur als auch das Problem der "Beweisschwäche von Timestamps" übersichtlich darstellen soll. Zu gegebener Zeit werden weitere Informationen zu besprechen sein. Die Verwendung der jederzeit belegbaren HauptInformation unterliegt einer strikten Anwaltspflicht. Eine öffentliche Diskussion ist natürlich möglich. Ich hoffe alle Beteiligten beachten, dass die Intention dieses Beitrags allein in der Unterstützung der Weiterentwicklung des Rechts liegt.

Sachverhalt

Dokument: "Bei der Staatsanwaltschaft wird und kann keine Prüfung erfolgen, ... ob die Auskünfte der Provider auch tatsächlich in der Form der dortigen Zuordnung der Adressen richtig ist." [zur "Beweisschwäche Timestamp" - 21.07.2008]

Am 30.05.2010 veröffentlichte die Firma Logistep AG als "Erfinderin" eines Ermittlungssystems das in Deutschland mittlerweile für eine sechststellige Anzahl an "Filesharing"-Abmahnungen verantwortlich zeichnet und das von einer Fülle von "Rechteverfolgungsfirmen" praktiziert wird den Werbeartikel: "Schweizer Firma Logistep AG geadelt! Datenermittlungen von Logistep überführen Anschlussinhaber im Filesharing-Fall vor dem Bundesgerichtshof" [Quelle]

Sehr störend wirkt hierbei der Satz: "Im nachlaufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wurde der Beklagte dann als Anschlussinhaber identifiziert." Angesichts des bekannten Dokuments aus der STA Essen eine nicht sehr fundierte Aussage. Der BGH drückt sich zu diesem Thema wie folgt aus: "(2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden." [Urteil]

Der BGH kommentierte jedoch nicht den eingangs des Urteils beschriebenen Ablauf: "Nach der im Rahmen der daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskunft der Deutschen Telekom AG war die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet." Eine notwendige Überprüfung erfolgte nicht und wurde wohl auch nicht von den Parteien beantragt.

Der anschließend veröffentlichte Text "Schwierige Gegenwehr" [c't 19/10, Bleich, Heidrich, Stadler] nennt dem BGH und den werten Lesern einen speziellen Problempunkt: "Am anfälligsten dürfte die Erfassung des Tatzeitpunkts sein. Falls der Zeitstempel zur ermittelten IP-Adresse nicht hundertprozentig stimmt, kann die spätere Abfrage beim Provider wegen der dynamischen IP-Adress-Vergabe einen falschen Anschluss liefern." Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen, auch wenn man auf der richtigen Spur ist.

Vielmehr ist der Beweiswert eines "One-Second-Logs" in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen grundsätzlich in Frage zu stellen. Der "One-Second-Log", also die schlichte Angabe einer I-Adresse zu einem bestimmten sekundengenau und automatisch erfassten Zeitpunkt ("IP - 125.125.125.25 am 12.12.2010 um 12:12:25 Uhr") beinhaltet natürlicherweise eigene Toleranzen (12:12:25:00 - 12:12:25:99). Auf der Seite der Provider sind ebenso Toleranzwerte zu beachten. Es ist also nicht unmöglich und auszuschließen, dass eine Providerdatenspeicherung um 12:12:25:35 einen anderen Anschlußinhaber als Inhaber der IP-Adresse ausweist als denjenigen dem tatsächlich um diese genaue Zeit der Anschluß zugeordnet war.

Damit ist der eigentliche Beweiswert, trotz weitreichender richterlicher Aktzeptanz des Systems des "One-Second-Logs" und der darauf folgenden Datenauskunft "Inhaber und Nutzer der IP-Adresse zu diesem Zeitpunkt" durch den Provider extrem niedrig anzusiedeln, wobei man man zu unterteilen hat.

Letztlich kann ein Verletzter aufgrund dieser Praktik durchaus begründete Verdachtsmomente gegenüber einem privaten Funknetzwerkbetreiber entwickeln. Er kann theoretisch diese Verdachtsmomente auch in einer urheberrechtlichen Abmahnung vorbringen, die auch weiterhin mit einer entsprechenden Erklärung (zB modUE) beantwortet werden muß.

Die Frage aber, ob der Verletzte mit den gesammelten Daten tatsächlich in einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Tathandlung beweisen kann muß mittlerweile mehr als begründet negativ beantwortet werden.

Die Frage der Toleranzen kann nur durch Angaben geklärt werden, die den Zeitraum um die jeweilige Tathandlung genau beschrieben. Um einen ausreichenden Beweis herzustellen muß der Beginn und das Ende der sog. "Session" durch den Provider beigetragen werden. Diese Datenmengen werden jedoch nach der Beauskunftung von Bestandsdaten (Name, Adresse) gelöscht. Der Abgemahnte hingegen erfährt zu spät von der vorgeworfenen Handlung um entlastende Beweismittel speichern zu lassen. Dieser allgemein bekannte Umstand läßt natürlich nicht den Eindruck zurück, dass den Vorgaben des OLG Köln entsprechend es tatsächlich dem jeweiligen Anschlußinhaber zuzumuten ist sich gegen den erhobenen Vorwurf zur Wehr zu setzen, wenn man die Sache so sieht das gerade ein entscheidender möglicherweise entlastender Beweis vernichtet wird.

Hierzu führt auch in einem gestern veröffentlichten Interview mit Richter Dirk Eßer, Pressesprecher des LG Köln aus: "Die Daten, um die es in unseren Verfahren geht, sind solche, die die Provider aus eigenem Antrieb eine gewisse – kurze – Zeit speichern. In dieser Zeit stehen die Daten nach dem UrhG für den Zugriff der Verletzten zur Verfügung." (also nicht etwa den mutmaßlichen Verletzern). Damit ist in den Regelfällen jedoch eine antragsbezogene Datenmenge gemeint. Dem Provider wird auf Antrag regelmäßig gestattet dem Antragsteller unter Verwendung von Verkehrsdaten ... Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer einer IP-Adresse zu den jeweiligen Zeitpunkten. Bereits der Antrag des Antragstellers ist insofern nicht ausreichend um Daten zu gewinnen, die eine Aussagekraft als Beweis entwicklen.

Dies wurde nun in einem bekannten Verfahren über das auf diesem Blog berichtet wurde durch einen gerichtlich beauftragten unabhängigen Gutachter bestätigt. Die Feststellungen der fraglichen Rechteverfolgungsfirma würden nicht ausreichen, um die beschriebene Tathandlung nachzuweisen.

Wie bei allen Veränderungen ist darauf hinzuweisen, dass sich damit meine persönliche Meinung, die Meinung weiterer Personen über den Beweiswert der "One-Second-Logs" durchsetzen muß, nachdem diese sich nun auch (um es in der Logistep-Sprache auszudrücken) durch ein unabhängiges Gutachten geadelt fühlen darf.

An dieser Stelle darf jedoch angemerkt werden, dass dieser Abschnitt zwar ein wesentlicher Beitrag zu einer "gerechteren" Beurteilung von Filesharingfällen darstellt und daher höchste Priorität genießt. Jedoch werden noch viele Monate der Unsicherheit vergehen bis sich in weiteren Instanzen die Argumentation durchsetzt. Es ist also nicht etwa so, dass man nun die Meinung entwickeln kann das sämtliche - fehlerhaft beantragten- und erfolgten Datenauskünfte Billigschrott darstellen. Es kommen viele Faktoren zusätzlich in Betracht: Persönliche Äußerungen gegenüber den Abmahnkanzleien, fehlerhaft und nicht ein Schuldeingeständniss ausschließende UEs, etc... zudem erneut der Hinweis auf die "Wahrheitspflicht" von Parteien in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Es ist in jedem Fall möglich Täter die zum Beispiel die Tat zugegeben haben trotz eigentlich fehlender Beweise zur Kostenübernahme von entsprechenden Forderungen zu verpflichten.

Zur Lösungsmöglichkeit einer "erweiterten Auskunft": Ob das Rechtsgebilde des § 101 UrhG trotz der Einschränkung der Grundrechte hier überhaupt geeignet ist die notwendigen Verkehrsdaten, die den Beweis einer Tathandlung herstellen können zu speichern und vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu beauskunften muß vor Ort im Gericht geklärt werden. Es ist jedoch nicht abschätzbar, ob die "One-Second-Logger" und deren anwaltliche Vertretung die entsprechenden Anträge umstellen.

Abschließend noch zur Frage was der Unterschied zwischen dem unabhängigen Logistep-Gutachten und der neuen Konstellation genau ist. Selbstverständlich hängt ein Gutachten von der Beweisfrage ab die ein/e Richter/in stellt. Bei Überprüfungen zu "allgemeinen Funktionsweisen" von Programmen ist kaum zu erwarten das ein maßgeblicher Fehler auftaucht. Die Ansicht des Richters am AG Frankfurt, es lägen keine Anhaltspunkte vor, warum im konkreten Fall eine falsche Beauskunftung durch den Provider vorliegen könne ist nicht zu teilen, auch nicht unter Berücksichtigung des § 286 ZPO. Vorraussetzung hierfür ist -gerade in dem Einzelfall am AG Frankfurt- das man Dokuemnte kennt die den Beweiswert eindeutig beschreiben, wie eben jene Mitteilung der STA Essen.

Denn das Ergebniss jeder Beweisaufnahme über den Beweiswert der vorhandenen Datenmengen hätte ergeben müssen und hat letztlich in einem Verfahren ergeben das die wesentlichsten Daten fehlen.

Man fühlt sich durchaus an die "Affaire Kreis-Gutachten" erinnert. Man mag sicherlich tolerieren und zu tolerieren haben wenn Richter zu den damaligen Zeitpunkten der Vorlage des Gutachtens keine Zweifel am Gutachten selbst entwickeln konnten und erst durch verscheidene größere Umwege zu zweifeln beginnen. Ich halte selbst so einen Vorgang für vollständig normal und "demokratisch" akzeptabel. Selbstverständlich werden nun auch die jeweiligen Abmahnkanzleien ihre Argumentationen zu dem Thema vorzutragen haben. Das wird man in Ruhe abwarten.

Aber der Zweifel bezüglich der bisherigen Beauskunftungspraxis sollte doch mit diesem Beitrag und der weiteren Verwendung ... weiterer Erkentnisse aus verschiedenen Verfahren ... nun endlich von den Entscheidern zumindest mehranteilig entwickelt werden damit dem "Massenabmahnwahn" eine deutliche Steigerung auch in der Akzeptanz durch den abgemahnten Bürger und Wähler erfährt. Momentan tendiert die Akzeptanz in jedem Fall gegen Null.

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