Mittwoch, 20. Oktober 2010

AG Wermelskirchen 2a C 193/10 - Part II

Sonderveröffentlichung

Vorgeschichte:
Nachdem im Dezember 2009 eine südwestdeutsche Kanzlei an den Gerichtsstandorten Köln und Düsseldorf mehrere Kostenklagen eingereicht hatte, in deren Anlagen ein seltsamer Fehler auf einem "Schlüsselbeweis"-Ausdruck erkennbar war, der im Mindesten auf einen Datenmigrationsfehler hinweist, der wiederum dazu führt das erhebliche Zweifel an der Stichhaltigkeit der vorgelegten gesamten "Beweise" entstehen... [vgl. Eröffnungsbericht] ... welches letztlich zu den bekannten Folgen führte...

... bedanke ich mich recht herzlich bei den Kollegen der südwestdeutschen Kanzlei aus Berlin für die Übersendung eines neuen Datenmigrationsfehlers. Dieser wird in der Folge beschrieben, liegt aber in einer Gerichtsakte und somit auch vor richterlichen Zeugen vor.

Die Geschichte wie dieser Fehler übermittelt wurde ist bemerkenswert. In einer handelsüblichen Klagebegründung wurde behauptet ein Mitarbeiter einer bekannten Rechtevefolgungsfirma habe eine händische "WHOIS"-Abfrage der IP bewerkstelligt, die ergeben habe das die ermittelte IP dem Provider "Telekom AG" zugehörig sei. Dies sorgte zuvorderst für große Erheiterung, denn die IP-Adresse und auch der Vertrag des Beklagten mit dem Provider wiesen auf eine IP-Adresse der "Telefonica" hin (Provider 1und1).

Auf eine Bemerkung des Prozessbevollmächtigten des Beklagtenvertreters hin entschuldigte sich die Berliner Kanzlei für das offensichtliche "redaktionelle Versehen" in einem Schriftsatz.

Knapp dahinter argumentiert die Berliner Kanzlei jedoch im Bereich der Zurückweisung des Beklagtenvortrags "§ 97a UrhG, Abs. 2" unter Beweisführung "Kopie des Suchmeldeergebnisses des Beklagten" + "Zeugenaussage" überraschend für alle weiteren Beteiligten der Beklagte habe bereits 4 Tage vor dem streitgegenständlichen Tatzeitpunkt die selbe Rechtsverletzung auf dem selben Sampler an dem selben musikalischen Meisterwerk schon einmal begangen. UA deswegen sei der Deckelungs-§auch nicht anwendbar.

In der Anlage, gennant Suchergebnissmeldung findet sich dann im ersten Bereich die bekannte Meldung, die im Einklang mit den vorgelegten Daten aus dem Auskunftsbeschluß des LG Bielefeld - "Telefonica" - stehen.

Im zweiten Bereich hingegen findet sich eine Meldung über eine 4 Tage zuvor ermittelte IP-Adresse die dem Provider "Telekom AG" zuzuschlagen ist. Selbstredend hat der Beklagte kein Vertragsverhältniss mit der "Telekom AG". Auf der Suchergebnissmeldung steht ebenso: "DTAG...".

Nun gut. Ob hier ein zusätzlicher Beauskunftungsfehler durch die Telekom-AG vorliegt ist nicht ermittelbar.

Interessant ist jedoch die Programm-Zuordnung des sog. "Fremd-AZ", ein Wert der natürlich nachträglich in die Suchergebnissmeldung (automatisiert durch den verantwortlichen Programmteil) eingetragen und zugeordnet werden muß, da ein Aktenzeichen des Akskunftsgerichts nicht zum Zeitpunkt des Ermittlungsvorgangs bekannt ist. Das Fremd-AZ ist vorliegend in der Suchmeldung (die als Beweis für zwei unterschiedliche Tathandlungen herhalten muß) dasjenige AZ des Auskunftsbeschlusses des LG Köln in Sachen "Telefonica". Und zu guter Letzt ist zu bemerken, dass die später beauskunfteten Datenmengen im "Telefonica"-Beschluss natürlich nicht einen Bereich von 4 Tagen, sondern nur von einem Tag vor dem Suchergebniss No. 1 beinhalten.

Ein Kommentar erübrigt sich. Man hat bereits im Januar/Februar zu Migrations- und Anwendungsfehlern innerhalb Rechteverfolgungsfirmen Stellung genommen und ist es fast schon Leid angesichts solcher offensichtlichen Mängel im Beweisvortrag von Rechtsanwälten weitere Versicherungen lesen zu müssen die darlegen das der Fehler nun bereinigt sei, da die Angabe "Fremd-Aktenzeichen" künftig ... nicht mehr in den Beweisen die vor Gericht vorgelegt werden auftauchen.

Interessant finde ich jedoch, dass die Rechteverfolgungsfirma vor Gericht auch noch Geld für die "Einpflege" der Daten bezahlt haben will.

Dienstag, 19. Oktober 2010

AG München, Az.: 142 C 14721/10

Bericht – Amtsgericht München, Az.: 142 C 14721/10
Hinweisbeschluss vom 20.08.2010


Auf dieses Verfahren wurde dieser blog von der ...
Rechtsanwaltskanzlei DURY
Inh. Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M.
Beethovenstr. 24
66111 Saarbrücken
[Webseite]

... hingewiesen.

Vorwort

Die Angelegenheit wurde zwischenzeitlich durch einen umfassenden Vergleich vor der mündlichen Verhandlung erledigt. Der Beklagte mußte aus gesundheitlichen Gründen von einer weiteren Auseinandersetzung abesehen. Die Klägerin legte dem keine Steine in den Weg.

Im Folgenden werden die zwei maßgeblichen Punkte des am 20.08.2010 verfügten Hinweisbeschlusses im Verfahren besprochen. Es kann sich somit nur um eine persönliche Meinung über den weiteren Verlauf des Rechtsstreits handeln. Die Bevollmächtigten der Klägerseite sind herzlich eingeladen eine anderslautende Meinung zu veröffentlichen.

Sachverhalt

Mit zwei Anwaltsschreiben vom xx.01.2010 (selbigen Tage) wurde der Beklagte wegen der unerlaubten öffentlichen Verfügbarmachung von zwei Filmwerken in sog. p2p-Tauschbörsen durch eine Lizenverwertungsfirma abgemahnt. Die durch eine Ermittlungsfirma fest gestellten angeblichen Tatzeitpunkte liegen 59,5 Stunden auseinander. Der Beklagte reagierte mit der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung und zahlte nicht. Daraufhin forderte die Klägerin verschiedene Ansprüche gerichtlich ein. Dies betraf jedoch nicht eine weitere Abmahnung von einem anderen Tage der Lizenzverwertungsfirma und auch nicht eine vierte Abmahnung eines amerikanischen Herstellers von Filmwerken.

Der Beklagte beantwortete die Klagebegründung mit einer entsprechenden Erwiederung, worauf hin das Amtsgericht München in einem Hinweisbeschluss sich wie folgt zu den ausgesuchten Punkten äußerte:

I – Gegendstandswerte - Filmwerke

Die Klägerin hatte beantragt den Beklagten zur Zahlung von 2.103,60€ zu verpflichten.

Dieser Betrag bestand aus

- einem Schadensersatz von jeweils 400,00€ = 800,00€. Der Betrag von 400,00€ beinhaltete die Kosten der Rechtsverfolgung, wobei der Beklagte gesamtschuldnerisch für die Kosten des Auskunftsbeschlusses am Landgericht Köln (200,00€) verpflichtet werden sollte.

Der Schadensersatz und die Rechtsfrage der gesamtschuldnerisch zu tragenden Kosten des Auskunftsbeschlusses spielten in der richterlichen Verfügung keine Rolle. Verwendet wurde eine dem BGH-Urteil I ZR 128/10 vom 12.05.2010 zuzuschlagende Konsellation und somit ohne letzliche Entscheidung ein Ablehnen der Täterhaftung wie man dies auch aus früheren Hinweisbeschlüssen des Amtsgerichts Münchens kennt.

- Rechtsanwaltskosten die für die jeweiligen Abmahnungen in Höhe von jeweils 651,80€ = 1.303,60€ entstanden sein sollten. Dieser Betrag stellte eine 1,3-Gebühr nach VV2300 RVG aus einem Streitwert von 10.000,00€ dar (631,80€ + 20,00€ Auslagen).

In der richterlichen Verfügung merkte der Richter hierzu an, dass es sich bei den vorliegenden Fällen um mehrere Gegenstände einer Angelegenheit handeln dürfte, so dass die Gegenstandswerte zusammenzurechnen wären. Statt der beantragten 1.303,60€ würden sich daher lediglich Rechtsanwaltskosten einer 1,3-Gebühr aus einem Streitwert in Höhe von 20.000,00€ nach VV2300 RVG ergeben = 859,80€

Eine Überprüfung des Streitwerts ergab keine Beanstandungen. Zwar handle es sich bei den streitgegenständlichen Filmwerken um Werke die mit vergleichsweise niedrigem Aufwand produziert würden, jedoch sei ein Streitwert in Höhe von 10.000,00€ bei Filmwerken als eher gering anzusehen und daher angemessen.

Das richterliche Vergleichsangebot bestand wie aus Vorläuferverfahren bekannt aus der Übernahme der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80€. Die Kosten des Verfahrens wurden in diesem zu 60% der Klägerin und zu 40% dem Beklagten auferlegt. (Über den Kostenentscheid des AG Münchens wird noch berichtet.)

Das richterliche Vergleichsangebot wurde von der Klägerin angenommen. Der Beklagte stimmte nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zu. Für die im Raum stehende dritte Abmahnung der Lizenzverwertungsfirma wurde die Lösung des Hinweisbeschlusses angewandt. (1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 30.000,00€ = 1.005,40€ - 859,80€ = zusätzlich 145,60€)
Auch für die vierte Abmahnung wurde eine einvernehmliche Lösung gefunden.

II - Gegenstandswerte - Samplerabmahnungen

Nicht zu verwechseln ist das eben Gesagte mit den Vorgängen im Bereich der "Samplerabmahnungen", wenn also eine Rechtsanwaltskanzlei zu unterschiedlichen Daten für unterschiedliche Interpreten, Textdichter, Sampling"künstler" für eine angebliche Rechtsverletzungen über einen "Top-100-Sampler", oder andere Sampler mehrfach abmahnt. Es kommt hier in erster Linie auf die Kentniss der Anzahl zum Zeitpunkt des Antrags auf Auskunft vorhandenen Mandanten an und nicht etwa auf die Menge an tatsächlichen Abmahnungen.

In der Frage der Grundsätze einer Anwendung des § 15 RVG, Abs. 2, Satz 1: "Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern." bestimmt der BGH im Urteil vom 27.07.2010, Az.: VI ZR 261/09 (Rn. 19 - 24) einen strikten Korridor in dem sich Samplerabmahnereien zu bewegen haben. Hierbei erfährt der Gedanke der "Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung + Schweigen" eine höhstrichterliche Bestätigung, denn erst wenn "die Reaktionen der verschiedenen Schädiger auf die gleichgerichteten Abmahnungen nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen." Es ist allerdings wiederum sehr fraglich ob in einer massenabmahnerisch unternehmerisch tätigen Kanzlei einheitliche Textbausteinantworten auf "verschiedene Reaktionen" eine Steigerung des bereits an der Maximalstelle befindlichen 1,3-Gebührenfaktors auslösen können.

Man wird diesen Bereich noch ausführlicher darzulegen haben. Die bisherige Praxis der entsprechenden Kanzleien ist auch in den "Pauschalabgeltungsbeträgen" in keinem Fall mit der BGH-Rechtsprechung konform.

II – W-LAN-Absicherung

Die vorliegende sehr interessante Konstellation wurde leider (im Sinne der Entwicklung der Rechtsprechung) nicht geklärt. Es ist jedoch zu attestieren, dass sich die technische Qualität des Hinweisbeschlusses des Richters bedeutend verbessert zeigt. Die bisher veröffentlichten oder bekannten Dokumente gingen auf den wunden Punkt nicht ausreichend ein, was eventuell auch an der Darstellung des Themas durch die Beklagten liegen kann.

Der Beklagte war nicht der eigentliche private Betreiber eines W-LAN-Funknetzwerkes, sondern dessen Rechtsnachfolger. Insofern war der Klägerin auch nicht bekannt, dass der Beklagte eine besondere technische Qualifikation im IT-Bereich erworben hatte, einen entsprechenden Titel führte und einer entsprechenden Beschäftigung in einem Sicherheitsbereich im Bankwesen nachging.

Der Richter erkannte jedoch aufgrund der Tatsache, dass der technisch versierte Beklagte einen W-LAN-Router einer moderneren Bauart und Ausstattung selbst eingerichtet hatte – falls der Zugriff tatsächlich durch einen Dritten erfolgt sein sollte – einen adäquat kausalen Beitrag zu den Rechtsverletzungen. Der Richter stellte jedoch anheim, dass eine ausreichende Sicherung (im Sinne des BGH-Urteils vom 12.05.2010) vorgelegen haben könnte. Zur Feststellung dieses Punktes wäre das Gutachten eines unabhängigen und gerichtlich bestellten Sachverständigen notwendig.

Zuvorderst ist die geäußerte richterliche Meinung ein solches Gutachten wäre aufwändig und kostspielig klar zu stellen. Man sollte hierzu beachten, dass gerade über den Gerichtsstand in München verschiedene Fehlmeinungen veröffentlicht wurden wie sich angeblich Verfahren über das Thema der Störerhaftung aufzubauen haben. Es ist eben vollständig unrichtig in jedem Verfahren die Beauskunftung durch die Telekom oder die Ermittlungstätigkeit der beauftragten Firma zu bestreiten. Dies ist nur mit offensichtlichen Gründen zu verbinden, welche dem normalen Abgemahnten nicht vorliegen. Es bleibt hier jedoch den jeweiligen Richtern kaum etwas anderes übrig als bei Bestreiten der Ermittlungsergebnisse die jeweiligen Daten der Ermittlung oder gar die generelle Funktionstüchtigkeit des Ermittlungsprogramms durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Im zweiten Fall dürften zwischen 3.000,00€ und 5.000,00 Kosten allein durch den Gutachter entstehen, im ersten Fall etwas weniger. Im zweiten Fall gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Ermittlungsfirma in dem Gutachten nicht bestehen kann. Im ersten Fall ist damit zu rechnen, dass der jeweilige Provider keine Daten von Substanz (Verkehrsdaten) beitragen kann da diese Daten gelöscht sind. Dies wiederum gilt jedoch unter zeitlichem Vorbehalt. In einem weiteren Filesharingverfahren wird es eine Entscheidung eines namhaften Providers geben in ein Verfahren direkt einzugreifen, nachdem eine Abmahnkanzlei gegen über dem Provider eine Streitverkündung ausgesprochen hat und androhte gegen den Provider Schadensersatz einzuklagen. Insofern kann es zum Anfang des Jahres 2011 ein zwar amtsgerichtliches aber eindeutiges Urteil zu diesem Bereich geben, das jede Beauftragung eines Sachverständigen im "Telekom-Bereich" obsolet werden läßt. Um im Bereich Filesharing-Verfahren mit Sachverständigem zu bestehen benötigt man in jedem Fall mehr mehr als einen guten Anwalt.

Mit der Frage der Störerhaftung haben die Angaben der Gegenseite jedoch herzlich wenig zu tun. Je nach dem wie im entsprechenden Beweisbeschluss die zu beantwortenden Fragen gestellt werden sind die Feststellungen die ein Sachverständiger über eine vorgenommene W-LAN-Absicherung treffen kann höchst einfach und eigentlich auch zeitlich mit geringem Aufwand herzustellen. Es ist hier nicht angemessen mehr als 1.500,00€ anzusiedlen; da sich die Routerfamilien leicht untergleidern lassen eher weniger. Der Gutachter kann hier nur die allgemeine Funktion des jeweiligen W-LAN-Routers (im Sinne der Beantwortung der unterschiedlichen Darstellungen der Parteien) bewerten. Dies geschieht allein durch die Einsichtnahme in bereits vorgelegtes Material, sprich Bauart und Betriebsanleitung. Es existieren hier nur wenige Möglichkeiten der relevanten Einstellungen. Die zweite zu klärende Frage wird jedoch im Hinweisbeschluss des AG Münchens nicht entsprechend der BGH-Rechtsprechung ausgedrückt. Der Richter ist der Ansicht fordern zu müssen, dass die Einstellungen des W-LAN-Routers zum Tatzeitpunkt zu klären seien. Der BGH zielt jedoch erkennbar auf den Zeitpunkt der Installation ab. Es ist jedoch denkbar das man von einem entsprechend bestreitenden Beklagten auch zusätzliche Informationen über den Zustand der Einstellungen zum Tatzeitpunkt fordern kann, oder er diese angibt. Diese zusätzlichen Informationen über die „Pflege“ des W-LAN-Routers sollten jedoch nach der BGH-Rechtsprechung nicht entscheidungsrelevant werden. Dies auch da der BGH auf die Grundsätze der „Verkehrsversicherungspflichten“ und der ständigen Rechtsprechung der BGH-Senate hierzu audrücklich hinweist. In der Zweiten zu klärenden Frage ist also fest zu stellen wie der W-LAN-Router zum Installationszeitpunkt eingestellt wurde. Eine Überprüfung des W-LAN-Routers kann hierzu zwar keine Ergebnisse bringen, da im Regelfall keine Logs oder Screenshots erstellt wurden und man auch nicht dazu verpflichtet ist. Es wird also eine Frage sein, wie der Einzelne seine Angaben belegen kann. Hier tritt das Problem auf das zumeist keine (Einzelpersonenhaushalt) oder schwache (Ehefrau) Belegsituationen vorhanden sein dürften. Es wird an dieser Stelle Zeit an die Wahrheitspflichten auch von Beklagten zu erinnern. Wer bei der Einstellung Fehler begangen hat, wie das er das voreingestellte Routerpasswort eines „Speedport“ („0000“) nicht verändert hat muß dies letztlich angeben.

Im vorliegenden Fall wäre hingegen eine gutachterliche Einschaltung zu sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Beklagten verlaufen, da weder Anlaß bestand an der Glaubwürdigkeit des Gesagten zur Router-Einstellung und Pflege zu zweifeln, noch die Fähigkeit mit Berücksichtigung des Werdegangs dem Beklagten abzusprechen.

Insofern wäre nur eine Kostenverpflichtung im Rahmen einer Täterschaft des Beklagten oder eines Nutzungsberechtigten möglich gewesen. Hierzu kann natürlich nicht prognostiziert werden wie ein solch sicherlich langwieriger Rechtsstreit mit einem entsprechend hohen Zeugenaufgebot verlaufen wäre. Konzentriert sich jedoch das Verfahren auf die Frage der Störerhaftung (nebst den vielfältigen „sonstigen“ rechtlichen Gesichtspunkten die selbstverständlich auch beurteilt hätten werden können) sind die Erfolgsaussichten durchaus als akzeptabel zu werten. Natürlich nur unter dem Gesichtspunkt das ein substantiiertes Bestreiten möglich und sinnvoll erscheint und die Belegsituation positiv zu werten ist vernünftig durch einen qualifizierten Rechtsanwalt vorgebracht wird.

Da die Bevollmächtigten der Klägerin jedoch weitere Verfahren anstrengen wird es sicherlich nur noch eine Frage der Zeit sein bis die eigentlichen Fragen solcher Verfahren auch an diesem Gerichtsstand durch das Landgericht transparenter und einheitlicher beurteilt werden. Dennoch ist auch am Amtsgericht ein Entwicklungsprozeß zu beobachten.

AG Wermelskirchen, Az.: 2a C 193/10

Kurzbericht von der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2010, die nicht nur optische Elemente von Interesse zu bieten hatte.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Rechteverwertungsgesellschaft aus dem Hessischen Raum erhob über eine Hauptstadtkanzlei Klage nach Widerspruch im Mahnvefahren wegen Abmahnkosten und Schadensersatz aus Urheberrechtsverletzung wegen der Verbreitung einer Tonaufnahme in sog. p2p-Tauschbörsen.(Übliche "Filesharingkostenklage - Einzeltitelabmahnung - Sampler"). Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

Streitgegenstand

Die Klägerin beantragte den Beklagten zur Zahlung von 915,30€ zu verpflichten. Dieser Betrag bestand aus Rechtsanwaltkosten aus einer 1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 10.000,00€ = 631,80€. Hinzu kamen die gesamtschuldnerisch vorgetragenen Kosten für das Auskunftsverfahren am Landgericht Köln in Höhe von 203,50€ und eine Ermittlungspauschale in Höhe von 80,00€. Weiteregehende Schadensersatzforderungen sind unbekannt.

Themenzusammenfassung

Das Thema der Aktivlegitimation konnte nachdem die Klägervertreterin zwei Mal falsch zugeordnete Angaben als Anlage beigefügt hatte mit dem dritten Dokument das in der Verhandlung übergeben wurde geklärt werden.

Diskutiert wurde von der Richterin mit der Klägervertreterin das Thema der Rechtsmißbräuchlichkeit derartiger Abmahnungen. Auch entwickelte die Richterin Zweifel an den vorgelegten "Ermittlungsbeweisen", nachdem der Beklagtenvertreter auf ein neueres Gutachten in einem Verfahren am Amtsgericht Köln über identische Ermittlungsmethoden hingewiesen hatte. Die Richterin sah sich jedoch außer Stande die Beweisfrage ohne die Einschaltung eines Sachverständigen zu klären (dlK: da es sich schlicht um eine andere Ermittlungsfirma handelt). Zum Thema der gesamtschuldnerischen Verpflichtung eines Abgemahnten aus einer Liste von zB 97 Abgemahnten äußerte die Richterin erhebliche rechtliche Bedenken. [§ 423BGB] Zum Thema der Störerhaftung wurde sehr wenig diskutiert. Umso intensiver beschäftigte sich die Richterin mit der Anwendbarkeit einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs in Sachen § 97a UrhG, Abs. 2.

Vergleich

Aufgrund des hohen Kostenrisikos entschied der Beklagte im Einklang mit der Bevollmächtigten der Klägerin einem richterlichen Vergleichsangebot zuzustimmen. Die Parteien einigten sich auf 450,00€, die der Beklagte bei gleichzeitiger Kostenaufhebung an die Klägerin zu entrichten habe.

Kommentarbereich Vergleichsökonomie

Ich nutze gerne die Gelegenheit um auch auf Fehlmeinungen die im Internet in eischlägigen Diskussionforen kursieren einzugehen. Der Beklagte wurde sehr wohl über die Tragweite seiner Entscheidung aufgeklärt. Ein Prozeß mit Gutachtereinschaltung und gleichzeitig der Klärung der Frage der Rechtsmißbräuchlichkeit und der Anwendbarkeit des § 97a UrhG, Abs. 2 ist in jedem Fall BGH-fähig. Ein negatives Urteil für die Klägerin stand in der hier möglichen Einschätzung eventuell zur Debatte, wobei in jedem Fall weitere Instanzen sehr sicher angerufen worden wären.

Die Klägerin jedoch muß sich den Vorwurf gefallen lassen durch die Zustimmung zu einem Vergleich prozeßökonomisch im Besten Fall seltsam vorzugehen. Nachdem das Gericht über die bisherigen Erkentnisse von Beauftragungen und Kostenaufteilungen seitens der Rechteverwertungsfirma im Verhältniss zu den jeweiligen Bevollmächtigten aufgeklärt wurde legte die Kanzlei über die entstandenden Kosten eine Rechnung vor. Diese beträgt für die Abmahnung die entsprechend beantragten 651,80€ (beantragt wurden 20€ weniger ...). Die Rechung wurde bezahlt. Nach dem Vergleich kann nun natürlich der Betrag auf die erzielten Werte angeglichen werden, so daß der Kanzlei für die Abmahnung (denklogisch) ein Wert von ca 116,50€ verbleibt, also etwa eine 0,22-Gebühr aus einem Streitwert von 10.000,00€. Für die mündliche Verhandlung und den gesamten Rechtsstreit entstehen nun jedoch der Klägerin Kosten in Höhe von 432,80€. Hinzugefügt werden müssen die Abwesenheitspauschale und Fahrtkosten (Berlin - ca. Köln), die weit über 400,00€ betragen werden (es sei denn die Prozeßbevollmächtigte erschien zB aus Köln und/oder hat ihren Sitz dort). Dabei hat die Klägerin selbst aus ihrem Vorgehen nur die Kosten für den Auskunftsbeschluss und die Kosten für das Mahnverfahren und die Kosten der Ermittlungsfima erhalten. Das bedeutet ein Verlust im Verfahren zwischen 432,80€ und ca. 800,00€.

Ein wirtschaftlicher DrittWert hingegen ist angesichts des Verfahrensverlaufs nicht erkennbar. Er darf jedoch (gerade im Bereich des § 97a UrhG, Abs 2) als äußerst bedenklich und negativ für die Klägerin eingestuft werden.

Freitag, 15. Oktober 2010

Über den Beweiswert eines "One-Second-Logs"

Vorwort

Der heutige Beitrag stellt eine Vorabmeldung dar, die sowohl das jüngste Ereigniss zur als auch das Problem der "Beweisschwäche von Timestamps" übersichtlich darstellen soll. Zu gegebener Zeit werden weitere Informationen zu besprechen sein. Die Verwendung der jederzeit belegbaren HauptInformation unterliegt einer strikten Anwaltspflicht. Eine öffentliche Diskussion ist natürlich möglich. Ich hoffe alle Beteiligten beachten, dass die Intention dieses Beitrags allein in der Unterstützung der Weiterentwicklung des Rechts liegt.

Sachverhalt

Dokument: "Bei der Staatsanwaltschaft wird und kann keine Prüfung erfolgen, ... ob die Auskünfte der Provider auch tatsächlich in der Form der dortigen Zuordnung der Adressen richtig ist." [zur "Beweisschwäche Timestamp" - 21.07.2008]

Am 30.05.2010 veröffentlichte die Firma Logistep AG als "Erfinderin" eines Ermittlungssystems das in Deutschland mittlerweile für eine sechststellige Anzahl an "Filesharing"-Abmahnungen verantwortlich zeichnet und das von einer Fülle von "Rechteverfolgungsfirmen" praktiziert wird den Werbeartikel: "Schweizer Firma Logistep AG geadelt! Datenermittlungen von Logistep überführen Anschlussinhaber im Filesharing-Fall vor dem Bundesgerichtshof" [Quelle]

Sehr störend wirkt hierbei der Satz: "Im nachlaufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wurde der Beklagte dann als Anschlussinhaber identifiziert." Angesichts des bekannten Dokuments aus der STA Essen eine nicht sehr fundierte Aussage. Der BGH drückt sich zu diesem Thema wie folgt aus: "(2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden." [Urteil]

Der BGH kommentierte jedoch nicht den eingangs des Urteils beschriebenen Ablauf: "Nach der im Rahmen der daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskunft der Deutschen Telekom AG war die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet." Eine notwendige Überprüfung erfolgte nicht und wurde wohl auch nicht von den Parteien beantragt.

Der anschließend veröffentlichte Text "Schwierige Gegenwehr" [c't 19/10, Bleich, Heidrich, Stadler] nennt dem BGH und den werten Lesern einen speziellen Problempunkt: "Am anfälligsten dürfte die Erfassung des Tatzeitpunkts sein. Falls der Zeitstempel zur ermittelten IP-Adresse nicht hundertprozentig stimmt, kann die spätere Abfrage beim Provider wegen der dynamischen IP-Adress-Vergabe einen falschen Anschluss liefern." Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen, auch wenn man auf der richtigen Spur ist.

Vielmehr ist der Beweiswert eines "One-Second-Logs" in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen grundsätzlich in Frage zu stellen. Der "One-Second-Log", also die schlichte Angabe einer I-Adresse zu einem bestimmten sekundengenau und automatisch erfassten Zeitpunkt ("IP - 125.125.125.25 am 12.12.2010 um 12:12:25 Uhr") beinhaltet natürlicherweise eigene Toleranzen (12:12:25:00 - 12:12:25:99). Auf der Seite der Provider sind ebenso Toleranzwerte zu beachten. Es ist also nicht unmöglich und auszuschließen, dass eine Providerdatenspeicherung um 12:12:25:35 einen anderen Anschlußinhaber als Inhaber der IP-Adresse ausweist als denjenigen dem tatsächlich um diese genaue Zeit der Anschluß zugeordnet war.

Damit ist der eigentliche Beweiswert, trotz weitreichender richterlicher Aktzeptanz des Systems des "One-Second-Logs" und der darauf folgenden Datenauskunft "Inhaber und Nutzer der IP-Adresse zu diesem Zeitpunkt" durch den Provider extrem niedrig anzusiedeln, wobei man man zu unterteilen hat.

Letztlich kann ein Verletzter aufgrund dieser Praktik durchaus begründete Verdachtsmomente gegenüber einem privaten Funknetzwerkbetreiber entwickeln. Er kann theoretisch diese Verdachtsmomente auch in einer urheberrechtlichen Abmahnung vorbringen, die auch weiterhin mit einer entsprechenden Erklärung (zB modUE) beantwortet werden muß.

Die Frage aber, ob der Verletzte mit den gesammelten Daten tatsächlich in einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Tathandlung beweisen kann muß mittlerweile mehr als begründet negativ beantwortet werden.

Die Frage der Toleranzen kann nur durch Angaben geklärt werden, die den Zeitraum um die jeweilige Tathandlung genau beschrieben. Um einen ausreichenden Beweis herzustellen muß der Beginn und das Ende der sog. "Session" durch den Provider beigetragen werden. Diese Datenmengen werden jedoch nach der Beauskunftung von Bestandsdaten (Name, Adresse) gelöscht. Der Abgemahnte hingegen erfährt zu spät von der vorgeworfenen Handlung um entlastende Beweismittel speichern zu lassen. Dieser allgemein bekannte Umstand läßt natürlich nicht den Eindruck zurück, dass den Vorgaben des OLG Köln entsprechend es tatsächlich dem jeweiligen Anschlußinhaber zuzumuten ist sich gegen den erhobenen Vorwurf zur Wehr zu setzen, wenn man die Sache so sieht das gerade ein entscheidender möglicherweise entlastender Beweis vernichtet wird.

Hierzu führt auch in einem gestern veröffentlichten Interview mit Richter Dirk Eßer, Pressesprecher des LG Köln aus: "Die Daten, um die es in unseren Verfahren geht, sind solche, die die Provider aus eigenem Antrieb eine gewisse – kurze – Zeit speichern. In dieser Zeit stehen die Daten nach dem UrhG für den Zugriff der Verletzten zur Verfügung." (also nicht etwa den mutmaßlichen Verletzern). Damit ist in den Regelfällen jedoch eine antragsbezogene Datenmenge gemeint. Dem Provider wird auf Antrag regelmäßig gestattet dem Antragsteller unter Verwendung von Verkehrsdaten ... Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer einer IP-Adresse zu den jeweiligen Zeitpunkten. Bereits der Antrag des Antragstellers ist insofern nicht ausreichend um Daten zu gewinnen, die eine Aussagekraft als Beweis entwicklen.

Dies wurde nun in einem bekannten Verfahren über das auf diesem Blog berichtet wurde durch einen gerichtlich beauftragten unabhängigen Gutachter bestätigt. Die Feststellungen der fraglichen Rechteverfolgungsfirma würden nicht ausreichen, um die beschriebene Tathandlung nachzuweisen.

Wie bei allen Veränderungen ist darauf hinzuweisen, dass sich damit meine persönliche Meinung, die Meinung weiterer Personen über den Beweiswert der "One-Second-Logs" durchsetzen muß, nachdem diese sich nun auch (um es in der Logistep-Sprache auszudrücken) durch ein unabhängiges Gutachten geadelt fühlen darf.

An dieser Stelle darf jedoch angemerkt werden, dass dieser Abschnitt zwar ein wesentlicher Beitrag zu einer "gerechteren" Beurteilung von Filesharingfällen darstellt und daher höchste Priorität genießt. Jedoch werden noch viele Monate der Unsicherheit vergehen bis sich in weiteren Instanzen die Argumentation durchsetzt. Es ist also nicht etwa so, dass man nun die Meinung entwickeln kann das sämtliche - fehlerhaft beantragten- und erfolgten Datenauskünfte Billigschrott darstellen. Es kommen viele Faktoren zusätzlich in Betracht: Persönliche Äußerungen gegenüber den Abmahnkanzleien, fehlerhaft und nicht ein Schuldeingeständniss ausschließende UEs, etc... zudem erneut der Hinweis auf die "Wahrheitspflicht" von Parteien in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Es ist in jedem Fall möglich Täter die zum Beispiel die Tat zugegeben haben trotz eigentlich fehlender Beweise zur Kostenübernahme von entsprechenden Forderungen zu verpflichten.

Zur Lösungsmöglichkeit einer "erweiterten Auskunft": Ob das Rechtsgebilde des § 101 UrhG trotz der Einschränkung der Grundrechte hier überhaupt geeignet ist die notwendigen Verkehrsdaten, die den Beweis einer Tathandlung herstellen können zu speichern und vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu beauskunften muß vor Ort im Gericht geklärt werden. Es ist jedoch nicht abschätzbar, ob die "One-Second-Logger" und deren anwaltliche Vertretung die entsprechenden Anträge umstellen.

Abschließend noch zur Frage was der Unterschied zwischen dem unabhängigen Logistep-Gutachten und der neuen Konstellation genau ist. Selbstverständlich hängt ein Gutachten von der Beweisfrage ab die ein/e Richter/in stellt. Bei Überprüfungen zu "allgemeinen Funktionsweisen" von Programmen ist kaum zu erwarten das ein maßgeblicher Fehler auftaucht. Die Ansicht des Richters am AG Frankfurt, es lägen keine Anhaltspunkte vor, warum im konkreten Fall eine falsche Beauskunftung durch den Provider vorliegen könne ist nicht zu teilen, auch nicht unter Berücksichtigung des § 286 ZPO. Vorraussetzung hierfür ist -gerade in dem Einzelfall am AG Frankfurt- das man Dokuemnte kennt die den Beweiswert eindeutig beschreiben, wie eben jene Mitteilung der STA Essen.

Denn das Ergebniss jeder Beweisaufnahme über den Beweiswert der vorhandenen Datenmengen hätte ergeben müssen und hat letztlich in einem Verfahren ergeben das die wesentlichsten Daten fehlen.

Man fühlt sich durchaus an die "Affaire Kreis-Gutachten" erinnert. Man mag sicherlich tolerieren und zu tolerieren haben wenn Richter zu den damaligen Zeitpunkten der Vorlage des Gutachtens keine Zweifel am Gutachten selbst entwickeln konnten und erst durch verscheidene größere Umwege zu zweifeln beginnen. Ich halte selbst so einen Vorgang für vollständig normal und "demokratisch" akzeptabel. Selbstverständlich werden nun auch die jeweiligen Abmahnkanzleien ihre Argumentationen zu dem Thema vorzutragen haben. Das wird man in Ruhe abwarten.

Aber der Zweifel bezüglich der bisherigen Beauskunftungspraxis sollte doch mit diesem Beitrag und der weiteren Verwendung ... weiterer Erkentnisse aus verschiedenen Verfahren ... nun endlich von den Entscheidern zumindest mehranteilig entwickelt werden damit dem "Massenabmahnwahn" eine deutliche Steigerung auch in der Akzeptanz durch den abgemahnten Bürger und Wähler erfährt. Momentan tendiert die Akzeptanz in jedem Fall gegen Null.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

OLG Köln, 6 W 149 09, Urteil vom 22.01.2010

Vorab: Wie im Abspann verdeutlicht handelt es sich bei dem folgenden Beitrag nur um bloße Spekulation und Theorie, die eventuell niemals relevant wird. Daher auch die Kürze. Aber man weiß ja nie was kommt....

via Kanzlei Professor Schweizer in München.

Leitsatz der Kanzlei: Die Frist zur Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren läuft nicht erst, wenn der Anwalt Bescheid weiß

Nach einem Beschluss des OLG Köln Az.: 6 W 149/09 kommt es für die Frage, ob der Verfügungsgrund wegen überlangen Zuwartens bis zur Einreichung des Antrags entfallen ist, auch in arbeitsteiligen Unternehmen auf die Kenntnis des für die Ermittlung und Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Mitarbeiters an. Dies gilt auch für den Fall, dass das Unternehmen keine eigene Rechtsabteilung unterhält, sondern diese an ständig vertretende Rechtsanwälte „ausgelagert“ hat. Das Argument des Oberlandesgerichts: Das Unternehmen hätte es ansonsten „in der Hand“, die externe Rechtsabteilung über die von ihm festgestellten Verstöße „bewusst in Unkenntnis zu lassen und den Lauf der Dringlichkeitsfrist zu manipulieren“.

[Volltext]

Wir alle kennen das Problem: Unter teilweise dramatischen Umständen muß dafür gesorgt werden das in diesem Jahr wohl über 600 000 abgemahnte Privathaushalte im Rahmen einer äußerst kurz bemessenen Frist eine Unterlassungserklärung abgeben, damit sie der Gefahr einer Einstweiligen Verfügung entgehen. Das wird auch so künftig bleiben.

Im Wettbewerbsrecht findet sich jedoch eine erstaunliche Parallele die wie folgt am OLG Köln gehandhabt wird: "Am Verfügungsgrund fehlt es, wenn ein Antragsteller mit der gerichtlichen Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes längere Zeit zuwartet, obwohl er die den Verstoß begründenden Tatsachen und die Person des Verantwortlichen kennt. Maßgeblich ist in arbeitsteiligen Unternehmen die Kenntnis der für die Ermittlung oder Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Mitarbeiter (Senat WRP 1999, 222 = NJW-RR 1999, 694) und Wissensvertreter (§ 166 Abs. 1 BGB analog: OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 374 [376]; Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 3.15; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl. 2009, § 12 UWG, Rn. 94), wozu sogar Sachbearbeiter zu rechnen sein können, von denen nach ihrer Funktion erwartet werden darf, dass sie die Wettbewerbsrelevanz des Verhaltens erkennen und ihre Kenntnis an die weitergeben, die im Unternehmen zu Entscheidungen über das Einleiten entsprechender Maßnahmen befugt sind (vgl. OLG Frankfurt / Main, NJW 2000, 1961 f.)."

Im p2p-Abmahnsonderrecht in Deutschland bezieht sich das fragliche Datum jeher auf die Übertragung der personenbezogenen Daten an die jeweilige verarbeitende Stelle durch die Telekom. Es existieren hierbei unterschiedliche Praktiken. So macht zum Beispiel eine gewisse Loggerbude zB Gelder für die "Einpflege" der Daten geltend. Dort findet auch stets in automatischer oder manueller Form eine Provider-Zuordnung statt. Eine gesammelte IP-Adresse ist nutzlos wenn man fest stellt, dass sie aus dem Ausland stammt und wenn man nicht den konkreten auskunftspflichtigen Provider kennt.

Interessant sind natürlich hierbei die Umstände "dynamische IP-Adresse", die eine Zuordnung zu einer realen Person unmöglich machen. Dies ist jedoch aus zwei Gründen nur auf den ersten Blick richtig.

Erstens sind bestimmte Bandbreiten von IPs regional oder providerabhängig "vorsortiert". Zweitens sind Ermittlungsvorgänge entsprechend dokumentiert, d.h. es ist in der Listenform die als Anlage im Auskunftsverfahren beigelegt wird deutlich eine regionale Stellung einer IP-Adresse erkenntlich und gleichzeitig sind Überschneidungen marginal. Dies erwies sich auch in einem vor Kurzem abgeschlossenen Verfügungsverfahren. Drei Mal, im Februar, im März und im Mai hatte eine Loggerbude eine Rechtsverletzung fest gestellt, die immer mit dem gleichen regionalen Kriterien ausgestattet war, also zum Beispiel 212.225.xx.xx.. Man hatte auf eine folgende Abmahnung im Juni keine Unterlassungserklärung erhalten und einen Antrag auf Einstweilige Verfügung - unter 8 Wochen nach Kentnisserlangung über die Rechtsverletzung, also in jedem Fall innerhalb einer Dringlichkeitsfrist - gestellt. eine grundsätzliche Identifizierungsmöglichkeit bei Feststellung der Rechtsverletzung war dem qualifizierten Mitarbeiter jedoch in jedem Fall möglich.

Denn das ist nicht schwer, sondern höchst einfach.

Ob es allerdings jemals einen Fall gegeben hat oder geben wird in dem die Frage was ein Ermittler an Identifikationsleistungen können und erbringen muß ("Tauschbörsennutzerprofilerstellung" wird/wurde ja beworben) relevant wird ist zu bezweifeln.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Modell "Unendlichkeit" -II

Dank der freundlichen Unterstützung einer Kanzlei mit Geschäftsbeziehungen zu einer bekannten Rechteverwertungsgesellschaft mit eigener Ermittlungsfirma können wir heute einen kleinen Vergleich zwischen den Projektionen aus der "ACS LAW-Affaire" herstellen. (Und das ganz ohne Daten illegal abzuschöpfen).

Kurz die Datengraphiken



Graphik 1 bezeichnet nur eine Gesamtaufstellung, deren Gesamtsummen jedoch mit einer Zahlerquote von ca. 85% zu hoch angesetzt ist. Ziel dieser Studie ist es jedoch anhand einer auf Basis der Entwicklungen die von der Statistik des Vereins gegen den Abmahwahn e.V nahe gelegt wird zwei konkurierende Modelle zu vergleichen.



Graphik 2 bezeichnet eine konservative IPs/Quartal-Schätzung die natürlich in dieser Studie nicht auf realen Daten basieren kann. Die Schätzung kann jedoch aufgrund der Presseangaben über Abmahnzahlen mit nur einer geringen Fehlerquote belastet sein.

These 1

Die nun mittlerweile mehrfach geleakten englischen Daten sprechen stets davon, dass der Ermittlungsfirma der Rechteverwertungsgesellschaft ein prozentualer Anteil an den eingegangenen Geldern zustehe. Dieser Anteil wird mit 15% beziffert.

These 2

Nach jüngeren Aussagen aus Deutschland die in Dokumenten vorliegen wird jedoch in Deutschland keine Beteiligung am Erfolg angewandt, sondern es entsteht der Rechteverwertungsfirma ein fester Satz pro abgemahnter IP den wir mit 80,00€ ansetzen.

Zahlerwerte

Man geht hier wohl sicherheitshalber von einem Zahlerwert von 60% aus, wobei im ersten Quartal der IP-Verwertung 25% Zahler und im zweiten Quartal der IP-Verwertung weitere 35% Eingänge gewertet werden. Weitere Eingänge werden nicht gewertet. Geldwertansatz pro Zahler-IP 450,00€.

Die Eingangssummen pro Quartal nach Graphik 2
Q 1 - 2009 - 590.625,00€
Q 2 - 2009 - 826.875,00€ + 1.096.875,00€ = 1.923.750,00€
Q 3 - 2009 - 1.535.625,00€ + 1.884.375,00€ = 3.420.000,00€
Q 4 - 2009 - 2.638.125,00€ + 1.575.000,00€ = 4.213.125,00€
Q 1 - 2010 - 2.205.000,00€ + 2.137.500,00€ = 4.342.500,00€
Q 2 - 2010 - 2.992.500,00€ + 1.884.375,00€ = 4.876.875,00€
Q 3 - 2010 - 2.638.125,00€ + 1.575.000,00€ = 4.213.125,00€
Q 4 - 2010 - 2.205.000,00€ + 1.575.000,00€ = 3.780.000,00€
Q 1 - 2011 - 2.205.000,00€

Die These 1 würde besagen, dass der Ermittlungsfirma der Rechteverwertungsgesellschaft im jeweiligen Quartal folgende Geldwerte zufließen würden:

Q 1 - 2009 - 88.593,75€
Q 2 - 2009 - 288.562,50€
Q 3 - 2009 - 513.000,00€
Q 4 - 2009 - 631.968,75€
Q 1 - 2010 - 651.375,00€
Q 2 - 2010 - 731.531,25€
Q 3 - 2010 - 631.968,75€
Q 4 - 2010 - 567.000,00€
Q 1 - 2011 - 330.750,00€

Die These 2 würde hingegen besagen, dass der Rechteverwertungsgesellschaft für alle verwerteten IPs Kosten entstehen. Diese gestalten sich wie folgt:

Q 1 - 2009 - 420.000,00€
Q 2 - 2009 - 780.000,00€
Q 3 - 2009 - 1.340.000,00€
Q 4 - 2009 - 1.120.000,00€
Q 1 - 2010 - 1.520.000,00€
Q 2 - 2010 - 1.340.000,00€
Q 3 - 2010 - 1.120.000,00€
Q 4 - 2010 - 1.120.000,00€
Q 1 - 2011 - 0,00€

Ein deutlicher Unterschied.

Das Problem in Deutschland liegt jedoch nicht in der Realisierbarkeit. Wer Gesamteingänge in Höhe von 29.535.000,00€ zu verzeichnen hat kann viel verteilen. 4.434.250,00€ sind dort gleich mit 8.760.000,00€ vor allem wenn die Sache in der Familie bleibt. Es hat auch keinen Einfluß auf die Gesamtanzahl der Abmahnungen, oder wie viel denn nun ein Abmahnwanwalt aus der Gesamtforderungssumme von fast 50.000.000,00€ nun wirklich abrechnet und wie der Betrag pro Abmahnung am Ende aussieht. Künftige Prozesse werden das Thema erhellen.

Für Deutschland gibt es jedoch jeher ein Problem mit dem Wort der "entstandenen Kosten". Sind diese nun mal erfolgsabhängig können weitere Faktoren einer Abmahnkalkulation im Innenverhältniss revisioniert werden. Entstandene Kosten hingegen (so wie zB eine Gerichtskassenrechnung) müssen abgerechnet und wenigstens irgendwann mal bezahlt werden, sprich ordentlich verbucht sein.

Wer sich dabei die Beträge näher betrachtet wird erstaunt feststellen, dass sie ein interessantes Verhältniss aufweisen. Im Erfolgsmodell erhält die Ermittlerfirma einen Satz von 40,00€ pro IP. Im festen Abrechnungsmodell aber 80,00€ pro IP.

Stimmen beide Thesen, sprich wird in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich abgerechnet ist die Frage zu stellen warum der gleiche Vorgang im einen Land nur halb so teuer abgerechnet wird, oder eben warum im anderen Land doppelt abgerechnet wird. Da andererseits wohl als erwiesen gelten darf das die 40€-These als bestätigt gelten darf ... fehlt hingegen jedes Dokument (in Form einer Rechnung) das die 80€-These stützen könnte, mit einer kleinen oben erwähnten Ausnahme: Eine Kanzlei mit Geschäftsbeziehungen .... behauptet die 80€-These hätte eine dokumentierte Basis.

Na... da bin ich mal gespannt.